Jährlich kommt es entlang der knapp 30 Kilometer langen Strecke zu knapp 30 Kollisionen – überwiegend mit Rehwild (80 %), seltener mit Wildschweinen (20 %). Damit sind es zwar deutlich weniger Unfälle als auf Straßen, doch die Folgen sind gravierend: Tierleid, Zugstopps, aufwendige Streckenkontrollen und verspätete Anschlusszüge. Die Züge erreichen auf der Strecke ihre Höchstgeschwindigkeit von 300 Stundenkilometer. Der Bremsweg bei einer Notbremsung beträgt bis zu drei Kilometer – ein rechtzeitiges Anhalten ist faktisch unmöglich.
Im August 2023 hat die Deutsche Bahn auf dem rund 20 Kilometer langen Abschnitt – die Tunnel ausgenommen – insgesamt 300 optisch-akustische Wildwarner installiert. Sie sind im Abstand von rund 70 Metern beidseitig an jedem Oberleitungsmasten angebracht. Der ICE selbst wird von den Wildtieren oft nicht als Gefahr wahrgenommen. Nähert sich nun ein ICE, registrieren die Warngeräte das Geräusch und geben einen hochfrequenten Pfeifton ab, um in der Nähe stehendes Wild zu warnen.
Nachts ist an den Wildwarnern zusätzlich ein blaues Blinklicht zu sehen, das Wildtiere abschrecken soll. Ziel ist es, das Wild vor dem Eintreffen des ICE zum Innehalten zu bringen und so ein Überspringen der Gleise zu vermeiden.
Der Landesjagdverband Hessen (LJV) beteilgt sich aktiv am Projekt „Wildunfallprävention“ gemeinsam mit den örtlichen Jagdpächtern, den Unteren Jagdbehörden und den Forstämtern. Vor Ort wurden Ortsbesichtigungen durchgeführt und Wildkameras installiert, um Wechselbewegungen in unmittelbarer Gleisnähe zu analysieren. Die Wildkameras wurden für die Teststrecke vom Hersteller kostenfrei zur Verfügung gestellt. Mehrere Stellen mit starkem Wildwechsel sollen gezielt für das Wild unattraktiv gemacht werden.
Neue Zäune sind nicht vorgesehen – stattdessen setzt die Jägerschaft auf Vergrämung durch häufigeres Ansitzen. Allein die regelmäßig vorhandene menschliche Witterung führe dazu, so der LJV, dass das Wild diese sensiblen Gebiete meidet. Die Maßnahme ergänzt den technischen Schutz durch die Wildwarner.
Eine erste Praxisbilanz sei vielversprechend: Seit der Einführung der Maßnahmen ist die Zahl der Wildunfälle in diesem Abschnitt um rund ein Drittel gesunken. In Höhe der ICE-Strecke bei Niedernhausen wurde im Jahr 2024 nur ein einziger Wildunfall registriert. Das zeige, so der LJV, Prävention funktioniert – wenn Technik und Jagdpraxis Hand in Hand gingen.
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