Beate Langer-Wedekind ist Stammleserin der Stadtbücherei und stellt an dieser Stelle ein Buch vor, das sie besonders beeindruckt hat: „Marseille 1940“ von Uwe Wittstock:
Harte Kost könnte man meinen, doch es ist eine Erfolgsgeschichte, die in der zweitgrößten Stadt Frankreichs während des zweiten Weltkriegs stattgefunden hat.
Der Autor Uwe Wittstock beschreibt in seiner Erzählung „Marseille 1940“ Ereignisse in der unbesetzten Zone Frankreichs. Wittstock ist Journalist, genau wie der US-Amerikaner Varian Fry (1907-1967), dessen Lebensaufgabe er in seinem Buch beschreibt. Für alles, was Wittstock erzählt, hat er Belege gesammelt, nichts ist erfunden. Fry hat es sich zur Aufgabe gemacht, Menschen auf der Flucht vor Hitlers Machenschaften in die Freiheit zu verhelfen.
Zunächst ist Newcomer Varian Fry aus New York 1935 auf Recherchereise in Berlin. Er beschäftigt sich vor allem mit außenpolitischen Fragen. Ihm wird viel zugetraut, man hält große Stücke auf ihn. Kurz vor seiner Abreise aus Berlin erlebt Fry eine Straßenschlacht mit SA-Leuten in Uniform, die gegen Juden hetzen. Fry ist entsetzt. Er notiert seine Beobachtungen und schickt seinen Bericht zur New York Times.
Die Kriegsereignisse vom Zusammenbruch Frankreichs erreichen die USA. Man ist um den europäischen Kulturbetrieb besorgt und versucht, eine Hilfsorganisation ins Leben zu rufen. Dies gelingt im Sommer 1940 mit der Neugründung des Emergency Rescue Committee (ERC). Nachdem enorme Spendengelder gesammelt wurden, beginnt Fry seine Hilfsaktion und fliegt mit einer Clipper vom East River aus über Portugal nach Europa. Mit dem Zug erreicht Fry schließlich sein Ziel Marseille. Als erstes schreitet er die Freitreppe vom Bahnhofsvorplatz herunter, die als architektonische Sehenswürdigkeit gilt und beginnt sofort mit seiner Arbeit, ein Büro mit etlichen Mitarbeitern aufzubauen. Dieses Netzwerk verhilft vielen Exilanten zur Flucht vor dem Naziregime, dank mutiger Menschen, die durch ihren Einsatz ihr eigenes Leben in Gefahr bringen.
Ein Rezensent der FAZ urteilt: „Liest sich wie ein historischer Thriller.“ Dem kann ich mich nur anschließen. Ich habe viel von Menschlichkeit und Hilfsbereitschaft und Details der europäischen Kulturszene jener Zeit erfahren, und meine Haltung als Europäerin neu gefestigt. Ein sehr lesenswertes, fesselndes Buch. Von mir gibt es eine absolute Empfehlung.
Uwe WittstockMarseille 1940
2024, 337 Seiten, Verlag C.H. Beck

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