Auf den Rathaussturm am vergangenen Samstag freute sich auch besagter Besenmann. Gerade als der Nieselregen auf seiner holzigen Nase getrocknet war und er noch einmal etwas Laub fegen wollte, begann der Trubel. Duft nach Glühwein und frischem Backwerk wehte zu ihm herüber. Fröhlich plaudernde Menschen liefen an ihm vorbei. Zahlreiche Vereinsmitglieder des Gusbacher Carneval Clubs versammelten sich, gut gelaunt die 5. Jahreszeit zu feiern. Bürgermeister Alexander Simon schüttelte bereits vorab viele Hände und begrüßte die Gäste. Er schien nicht zu ahnen, dass sich die Narrenschar unter Leitung des Sitzungspräsidenten Jannis Rösner bereits in der Obergasse formierte, um Schlüssel, Stadtkasse und Hemd zu erobern.
Im Alten Rathaus warteten Stadtverordnetenvorsteherin Andrea Sehr und der Niederjosbacher Ortsvorsteher Christoph Striedter auf den Bürgermeister. Das Trio bereitete sich akribisch auf die Verteidigung des Rathauses vor. Andrea Sehr bezog ihren Beobachtungsposten am Fenster. Um sich auf eine längere Blockade einzustellen, besorgte Alexander Simon vorsorglich drei Flaschen Bier. Probehalber schwenkte er den goldenen Schlüssel. Dieses Jahr würde der GCC mit seinen Forderungen scheitern. Dazu sollte auch ein Bollwerk im Treppenhaus beitragen.
Mit Knallbonbons und Kamelle – Besenmann schmunzelt still
Simon und Striedter scheuten keine Mühe. Sie stapelten Stühle, verkeilten einen Kleiderständer mit einem Bürotisch und krönten ihre Barrikade mit einem Mülleimer. „Lasst uns das noch einmal durchgehen“, bat der Bürgermeister. Alle drei studierten die Manuskripte mit den Schlagworten, die sie der Narrenschar entgegenschleudern wollten. „Um Himmels willen, was ist denn das?“. Mit dieser Frage hoffte Alexander Simon, die Karnevalisten in ihre Schranken zu weisen. Um den Rathaussturm entscheidend zu beeinflussen, präzisierte Christoph Striedter seine Warnung vor „Justizvollzugsanstalt und Eilantrag“. Andrea Sehr optimierte ihre Technik, im richtigen Augenblick das Fenster zu schließen. Eine Aktion wie diese sollte für eine historische Zäsur sorgen. Um 17.11 Uhr war das städtische Trio bereit. Noch ein Schluck Bier, noch ein Lächeln für die Pressevertreter, dann tönten aus der Ferne Paukenschläge, Blasmusik und laute Helau-Rufe.
Von ihrem Ausguck meldete Andrea Sehr die Ankunft des Sitzungspräsidenten Jannis Rösner und der GCC-Vorsitzenden Karin Dostal, die zusammen mit der Garde, bestehend aus Minis und Maxis, vorrückten. Unter Jubelgeschrei forderte Rösner die Herausgabe von „Kass’ und Schlüssel“.
Simon, Sehr und Striedter lehnten das närrische Gesuch rigoros ab. „Ober-Kleingeister“, betitelte Rösner die Kassenschützer, Schlüsselbewahrer und Hemdretter. Während sich das glorreiche Trio vom Rathausfenster abwandte, um Interviews zu geben, stampfte die Garde mit den Füßen. Die Menge rief nach dem Schultheiß, Narrenkappen wippten bedrohlich, Der Sitzungspräsident bekam Oberwasser.
Zuerst provozierte Alexander Simon die Anwesenden mit einem Selfie von sich und der Narrenschar, dann schlug Andrea Sehr mit kühnem Schwung das Fenster zu. Den Karnevalisten entglitten die Gesichtszüge und Jannis Rösner der Text. Die Menschen verharrten sprachlos. Was konnte man in dieser Lage tun? Auch der Besenmann kratzte sich an der knarzenden Wange, doch das hörte niemand.
Die unerträgliche Pattsituation durchbrach schließlich Christoph Striedter. Er drohte mit Verbannung nach Bremthal. Ein Raunen ging durch die Menge. Der GCC und das Publikum hingen an den Lippen von Jannis Rösner. „Wir müssen das Rathaus jetzt wohl stürmen“, schlussfolgerte der kurz und knapp. Zwei Maxis von der Garde opferten sich. Sie würden sich weder mit Karamelle noch mit Floskeln abspeisen lassen. Im Gleichschritt betraten sie mutig das Rathaus.
Dann herrschte Stille auf dem Platz. Kein Kampfgeschrei war zu hören: Die beiden Maxis waren damit beschäftigt, die Barrikade zu durchbrechen. Sie schoben einen Stuhl beiseite, der Mülleimer fiel ohne Gegenwehr. Die ruhmvollen Drei ergaben sich der Übermacht von zwei Gardistinnen. Gefesselt mit einem dicken Seil, lächelten Simon, Striedter, Sehr unbeugsam in die Kamera.
Auf dem Dorfplatz schmetterte währenddessen die karnevalistische Gesangsformation „Knallbonbons“ ihre Spaßlieder. Die Garde schunkelte. Alle sangen mit: „Wir sind Narren und sind darauf stolz.“ Applaus ertönte. Der Platz rockte. Auch der Besenmann schwenkte seinen Besen, was wieder keiner sah.
Die Menschen prosteten sich zu. Brezelduft und Abendluft wurden unterbrochen vom Hilferuf des Bürgermeisters. Die Gardistinnen hatten Mühe, den Strick festzuhalten, an den das Eppsteiner Dreigestirn gebunden war. „Die wehren sich ja immer noch“, resümierte Jannis Rösner. Damit lag er richtig. Bürgermeister Simon forderte seine Freilassung und führte ein Argument ins Feld, mit dem niemand gerechnet hatte: „Der Regiomat ist endlich offen.“ Zustimmendes Murmeln und Kopfnicken auf dem Dorfplatz.
Doch Jannis Rösler quittierte den Hinweis mit „Rübe ab“. Die Garde schunkelte bekräftigend. Mit der geflügelten Redewendung „Was sein muss, muss halt sein“ sah Stadtverordnetenvorsteherin Andrea Sehr das Waterloo vom Dorfplatz pragmatisch. Ortsvorsteher Christoph Striedter bestand auf einer Ausleihfrist des goldenen Schlüssels bis Aschermittwoch. „Ihr werdet trotzdem jetzt mal ausgekehrt“, feierte Jannis Rösner den Rathaussturm. Das war der Moment, in dem der Besenmann von seinem Sockel klettern sollte, doch er hatte es vergessen.
Goldener Schlüssel und letztes Hemd wechselten in die Hände der Karnevalisten. Mit Blick auf die Stadtkasse verkündete Dostal: „Das ist eher was für die Garde und die Kinder hier.“ Fröhlich stoben die Kinder auseinander, wühlten mit leuchtenden Augen in der Stadtkasse nach Schokolade und Bonbons. Bürgermeister Alexander Simon lobte „die tolle Tradition des GCC“. Der Besenmann genoss die Szenerie und schmunzelte still in sich hinein: „Nächstes Jahr bin ich mit dabei“.
Der Gusbacher Carneval Club hat in der 5. Jahreszeit noch viel vor: Am 18. Januar gibt er um 14.11 Uhr einen Sektempfang. „Schoppe-Gucke-Danse“ findet am 31. Januar um 20.11 Uhr statt. Viel Spaß verspricht die Kinderfastnacht am 8. Februar um 15.11 Uhr. Ausgelassene Stimmung herrscht zur Prunksitzung am 15. Februar um 18.11 Uhr. Die Veranstaltungen finden im Vereinssaal Niederjosbach statt. Höhepunkt ist der Fastnachtsumzug am 17. Februar um 14.11 Uhr. Zum geselligen Heringsessen trifft man sich am 18. Februar um 19 Uhr im „Schützenhof“ in Königshofen.uki


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