Nach einem langen und intensiven Vorstellungsgespräch habe sich der Ausschuss auf Andrea Sehr (CDU) festgelegt. In der Stadtverordnetenversammlung, bei der 31 Stadtverordnete anwesend waren, wurde sie mit 22 Ja zu 7 Nein-Stimmen – zwei Stimmzettel waren ungültig – zur neuen Ersten Stadträtin gewählt und erhielt im Anschluss von Bürgermeister Alexander Simon ihre Ernennungsurkunde und legte ihren Amtseid ab. Amtsantritt ist der 20. Februar.
Andrea Sehrs neue Aufgabe – zwischen Traumjob und Alptraum
Das Prozedere der Wahl ist gesetzlich genau geregelt: Frühestens sechs Monate, spätestens drei Monate vor Ablauf der Amtszeit soll die Nachfolge geregelt sein. Wie berichtet, endet die Amtszeit von Erster Stadträtin Sabine Bergold am 19. Febuar, Andrea Sehr tritt ihr neues Amt am 20. Februar an.
Gefragt waren für die Position der Ersten Stadträtin neben beruflicher Erfahrung im Finanzwesen auch Fähigkeiten, wie Mitarbeiterführung und Teamleitung, Durchsetzungskraft und Einsatzbereitschaft oder strategisches Denken, um Probleme zu lösen. Amtsvorgängerin Sabine Bergold ist Kämmerin, aber auch für Personal, Soziales, Jugend, Integration und Kultur zuständig.
Laut Hessischer Gemeindeordnung wird eine solche Wahl durch einen von den Stadtverordneten eingesetzten Ausschuss vorbereitet, dem insgesamt zehn Mitglieder aus allen Fraktionen und dem Magistrat angehörten. Waitzendorfer-Braun lobte die Integrität der Kollegen. Tatsächlich drang kaum etwas nach außen. Dennoch gab es schon bald nach den ersten Sitzungen im Herbst Gerüchte, dass Andrea Sehr Erste Stadträtin werden wolle.
Bestätigt hat sie den Wahlvorschlag des Wahlausschusses, wie berichtet, kurz vor der Stadtverordnetenversammlung. Gewählt wurde in geheimer Wahl. Die CDU hat mit 16 von insgesamt 37 Stadtverordnetensitzen keine Mehrheit und kooperiert mit den Grünen, die 7 Mitglieder stellen. Am Wahlabend waren die Fraktionen von FDP, SPD und FWG nicht komplett.
Die SPD bekräftigte am Donnerstag noch einmal ihre Ablehnung dieser Personalie. Fraktionssprecher Peter Keller stellte die Position eines zweiten Wahlbeamten im Rathaus in Frage und behauptete: „Wir können uns das nicht leisten.“ Auch sei der Zeitpunkt der Wahl so kurz vor einer Kommunalwahl bedenklich. Er warf der CDU vor, die Postenbesetzung durchzupeitschen, noch bevor die Bürger gewählt hätten.
CDU-Fraktions-Chef Dirk Büttner machte noch einmal deutlich: „Auch der Landesrechnungshof hat Eppstein bescheinigt, dass unsere Verwaltung alles andere als überdimensioniert ist.“ Um auf das Amt der Ersten Stadträtin zu verzichten, müssten Ersatzstellen in der Verwaltung geschaffen werden.
FWG-Sprecher Magnus Fischer, dessen Fraktion an diesem Abend nur zu dritt war, hatte für seine Fraktion Zustimmung signalisiert: „Die Stadt muss sich das leisen können“, Die Verwaltung brauche einen frischen Wind von außerhalb. Den bringe Andrea Sehr mit. Von der SPD gebe es bisher nur Stammtischparolen und keinen einzigen eigenen Vorschlag, wo die Stadt noch sparen könne.
Von den Grünen, dem Kooperationspartner der CDU, kam keine Stellungnahme, weder vor noch nach der Wahl. Von ihren Fraktionsmitgliedern dürften einige der Personalie nicht zugestimmt haben. Dennoch reichte es am Ende zu einer komfortablen Mehrheit für Sehr, die als Nachfolgerin von Stadtverordnetenvorsteher Bernhard Heinz den Stadtverordneten hinlänglich bekannt ist.
Die künftige Erste Stadträtin kommt zwar nicht aus der Verwaltung, ist aber als Betriebswirtin in ihrem bisherigen Job in einer großen Apotheke mit elf Abteilungen in Controlling, Organisationsmanagement und Personalwirtschaft tätig. „Meine Kernkompetenzen passen zu den Anforderungen in Eppstein“, ist Sehr überzeugt und fügt Prozessoptimierung und Digitalisierung als weitere Spezialisierung an.
Sie wolle ihr berufliches Knowhow und ihr Wissen aus dem Ehrenamt zusammenbringen. Auch als Ehrenamtliche hat die 49-Jährige einiges neben Beruf und Familie mit zwei erwachsenen Töchtern vorzuweisen: Sie war im Turnverband und in der Turnjugend Main-Taunus aktiv und als Jugendtrainerin im TuS Niederjosbach. Sie engagierte sich in der Elternarbeit in Kindergarten und Schule und seit 2006 auch politisch. Elf Jahre war sie Ortsvorsteherin von Niederjosbach und ist seit einem Jahr Stadtverordnetenvorsteherin – „ein zeitaufwändiges Amt mit vielen komplexen Themen“, sagt Sehr.
Den Job als Kämmerin einer verschuldeten Stadt sehe sie als Herausforderung. Ob er zum Traumjob oder zum Alptraum werde, hängt ihrer Meinung nach davon ab, ob es gelingt, die Menschen davon zu überzeugen, dass die Konsolidierung eine Gemeinschaftsaufgabe ist. Beworben habe sie sich, „weil ich glaube, dass wir die Probleme in Eppstein in den Griff bekommen können, wenn uns der Zusammenhalt auf allen Ebenen gelingt – in der Verwaltung, in der Politik und bei den Bürgerinnen und Bürgern“.bpa


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