Für Amprion ist das der Startschuss, um mit der Verlegung des 77,5 Kilometer langen Streckenabschnitts zwischen Koblenz und Marxheim zu beginnen. Sobald der Beschluss vorliegt, gibt es auch für die Stadt keinen Grund mehr, Amprion die erbetenen Informationen über Grundstücksnutzungen oder Mietverhältnisse vorzuenthalten.
Allerdings muss die Stadt jetzt entscheiden, ob sie gegen den Beschluss klagen will. Eine aufschiebende Wirkung hätten Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss nicht. Amprion kann also, wie das Unternehmen in der vorigen Woche mitgeteilt hat, im November damit beginnen, die neuen Leitungen zu verlegen. Dazu müssen Isolatorenketten getauscht und 37 von insgesamt 226 Masten erhöht werden.
Auch in einem weiteren Ansinnen von Amprion musste die Stadt jetzt einlenken: Wie berichtet, hatte der Netzbetreiber angekündigt, für die Erdkabeltrasse Rhein-Main-Link Baugrunduntersuchungen entlang der Trasse vorzunehmen und stellte bei der Stadt einen Antrag. Per Verfügung erteilte die Stadt zunächst ein Betretungsverbot. Nun wandte sich die Bundesnetzagentur an die Stadtverwaltung und wies auf die rechtlichen Hintergründe hin.
Demnach müsste die Stadt mit einer Duldungsverfügung rechnen. Dieses kostenpflichtige Verfahren wolle die Stadt vermeiden, sagte Simon, und hob nach erneuter Abwägung der Sach- und Rechtslage Ende Oktober das Betretungsverbot auf. Amprion kann mit den Voruntersuchungen beginnen und kündigte dies bereits in der Eppsteiner Zeitung an.bpa
Vor über 15 Jahren wurde die Planung für die Ultranet-Trasse von der Betreiberfirma Amprion begonnen. Seit dieser Zeit begleitet die Stadt Eppstein das Vorhaben konstruktiv mit eigenen Vorschlägen, aber auch kritisch.
Ultranet ist eine auf einem Masten geführte Gleichstrom- und Wechselstromleitung. Das hat es zuvor noch nie gegeben und Langzeitstudien gibt es nicht. „Wir haben die Ängste der Menschen von Anfang an sehr ernst genommen“, so Bürgermeister Alexander Simon. Sehr frühzeitig hatte die Stadt Eppstein eine kleinräumige Verschwenkung der Trasse bei Bremthal und Niederjosbach vorgeschlagen. Weniger als 20 Meter von der Wohnbebauung befindet sich die Leitung beispielsweise in Bremthal. Dort muss ein Mast deshalb sogar deutlich erhöht werden.
Als eine von zwei Kommunen in Deutschland war es der Burgstadt gelungen, den 1000 Meter breiten Trassenkorridor im Rahmen der Bundesfachplanung zu verlegen. „Dazu war ein sehr tiefes Fachwissen und juristischer Druck von Nöten“, so Simon. Später änderte die vorherige Bundesregierung die rechtlichen Grundlagen und verfügte, dass alle Planungen, die weiter als 200 Meter von der Bestandstrasse entfernt sind, nicht geprüft werden müssen. Damit wurden die vorher genehmigungsfähigen Vorschläge formal ausgeschlossen. „Im Fußball wäre ein solches Vorgehen als grobes Foul sofort mit einer Roten Karte belegt worden“, so der Bürgermeister. Die Stadt Eppstein überarbeitete umgehend ihre Vorschläge und änderte die vorgeschlagene Verschwenkung auf 199 Meter.
Im Ergebnis scheint es so, als würden alle Ideen und Vorschläge der Kommunen, der Bürgerinitiativen und der Menschen vor Ort abgelehnt. „Die Argumente sind fadenscheinig: es sei schlimmer, jemanden erstmalig zu belasten, als wenn ein belastetes Umfeld noch mehr belastet wird. Mit dieser Argumentation wurden unsere Vorschläge seitens der Betreiberfirma abgelehnt,“ so Simon.
Dabei hätten zunächst „gute Gespräche“ zwischen Amprion und der Stadt Eppstein stattgefunden. „Ich kann mich noch gut erinnern, wie selbst der Firmenvertreter uns bei den Alternativrouten bestärkte“, erinnert sich Simon, „heute wissen wir: Das war Pokerface. Die Firma Amprion hatte nie ein Interesse, den Menschen vor Ort zu helfen.“ Besonders ärgerlich für Eppstein: für das weitere Stromnetzausbauvorhaben, den Rhein-Main-Link, hat der gleiche Netzbetreiber die Eppsteiner Idee für Ultranet aufgegriffen und schickt auf dieser Trasse die zweite Höchstspannungsleitung durch Eppstein. Simon befürchtet: „Wir werden dadurch wahrscheinlich das für uns sehr wichtige geplante neue Gewerbegebiet verlieren.“
Nun gab die Bundesnetzagentur am 31. Oktober eine Meldung mit der Überschrift „Meilenstein: Stromleitung Ultranet vollständig genehmigt“ heraus, der eigentliche Planfeststellungsbeschluss ist aber noch nicht bekannt. der wird laut Bundesnetzagnetur erst am 10 November veröffentlicht. „Zu verkünden, es ist alles genehmigt, dann aber alle darüber im Dunkeln zu lassen, was eigentlich genehmigt wurde, macht mich fassungslos“, so der Bürgermeister.
In der Dezember-Sitzung sollen die politischen Mandatsträger nun über die Bereitstellung von Mitteln für eine Klage entscheiden. Simon ist überzeugt: „Die Zeichen sprechen für eine juristische Kontrolle des Planfeststellungsbeschlusses“. Er schlägt ein gemeinsames Vorgehen mit einer Bürgerinitiative und anderen Kommunen vor.
Anders als Kommunen, die nur hoheitliche Interessen einklagen dürfen, haben Bürgerinitiativen die Möglichkeit, auch die Interessen von einzelnen Bürgern oder Bürgerinnen zu vertreten.bpa

Kommentare