Fast ihr ganzes Leben lang hat sie für ihre Nachbarn Kleider genäht oder geändert und war auch bei Vereinen und in der Kirchengemeinde für ihre Hilfsbereitschaft bekannt. 33 Jahre lang nähte sie beispielsweise für den GCC Niederjosbach Gardekostüme – „Einmal habe ich 76 Kostüme für die neue Fastnachtssaison genäht. Das war mein Rekord“, sagt sie und zeigt auf die Ehrenurkunde von 2006 an der Wand und die Goldene Narrenkappe. Ob Napoleon oder Freiheitsstatue, mit den Fastnachtern setzte sie die verrücktesten Ideen um, nähte Litzen und Bordüren, klebte Pailletten und raffte Pluderhosen und Puffärmel.
Für Ehlhaltens Sternsinger nähte Miele Kauß noch vor einem Jahr neue Umhänge. Den roten Samtstoff hatte die Kirchengemeinde geschenkt bekommen. Unter den geschickten Händen der erfahrenen Näherin entstanden wallende Umhänge, die sie üppig mit Glitzerborten verzierte.
Mit zehn Jahren schon habe sie für ihre Mutter, die auch als Schneiderin für die Ehlhaltener nähte, Druckknöpfe angenäht. Vom Vater, der in einer Bäckerei in Schloßborn arbeitete, habe sie das Backen gelernt, sagt Miele Kauß. „Sie war für den ,weltbesten’ Streuselkuchen bei Vereinsfesten und Feiern bekannt“, erzählt Sohn Joachim, der mit Ehefrau Tanja vor knapp zehn Jahren in die Einliegerwohnung im Elternhaus gezogen ist, um seine Mutter zu unterstützen, die bis heute selbstständig zu Hause wohnt. Mit einem Rollator bewegt sie sich sicher durch die Räume, schenkt Kaffee ein und hat auch ein paar Plätzchen bereitgestellt. „Die sind vom Pflegedienst und einer Bekannten“, verrät sie.
Geboren und aufgewachsen ist sie als Emilie Wohlfahrt zusammen mit drei Brüdern und einer Schwester im damals letzten Haus in der heutigen Langstraße Richtung Oberjosbach, an der Zufahrt in die Gräfliche Straße. Ihren späteren Mann Erich kenne sie schon seit der Schulzeit. Gemeinsam seien sie noch in die Alte Schule neben dem Gasthaus Zur Krone in der Langstraße gegangen.
Als 17-jähriger wurde Erich gegen Kriegsende eingezogen, kam zunächst zur Flugabwehr und dann nach Frankreich. Dort geriet er in Gefangenschaft, wurde aber schon im Juni 1945 entlassen. Nach seiner Rückkehr begannen die beiden zusammen auszugehen „und irgendwann wussten wir, dass wir zusammen bleiben“, sagt Miele Kauß schlicht. 1949 haben die beiden geheiratet.
Erich Kauß war gelernter Schlosser, ein geschickter Handwerker „und ein sehr guter Ehemann“, sagt Miele Kauß. „Die beiden waren ein harmonisches Paar“, bestätigt Sohn Joachim und erinnert sich daran, dass seine Mutter in seiner Kindheit immer für die Kinder da war. „Das ist heute fast gar nicht mehr möglich, ein Haus bauen, wenn nur einer arbeitet“, sagt er, Erich Kauß arbeitete in einer Schlosserei in Hofheim. 1951 kam der älteste Sohn Bodo zur Welt, 1959 Sohn Joachim. Die junge Familie wohnte zunächst im Elternhaus des Vaters in der Schloßborner Straße, bis in Ehlhalten das erste Neubaugebiet erschlossen wurde in dem Flurstück Am Borbig. In der gleichnamigen Straße wohnt Miele Kauß bis heute.
Mit viel Eigenarbeit und Hilfe der Nachbarn baute die junge Familie 1967 eines der ersten Häuser in diesem Neubaugebiet. „Wir hatten immer gute Nachbarn“, sagt Miele Kauß und erinnert sich an unzählige Nachbarschaftsfeste, die abwechselnd immer bei einem anderen gefeiert wurden.
Viel zu früh sei ihr Mann gestorben, sagt Miele Kauß. Seit 1989 ist sie verwitwet. Trost findet sie in ihren drei Enkeln und sechs Urenkeln. Der jüngste, Thorben, wird im Januar ein Jahr alt. Vor allem aber gibt ihr die Religion Halt. Bis heute ist sie eine treue Kirchgängerin. Eine Nachbarin hole sie sonntags ab. Früher waren diese Kirchenbesuche für sie auch ein wichtiger Treffpunkt. So wurden damals soziale Netzwerke aufgebaut.
Inzwischen hält sie mit vielen Freunden und Bekannten telefonisch Kontakt. Die Frage, was für sie in ihrem langen Leben das Wichtigste war, beantwortet sie ohne zu überlegen: „Zufrieden sein, mit dem was man hat – und Gottvertrauen.“
Ihren Ehrentag, einen Tag vor Heiligabend, feiert die Jubilarin mit ihrer Familie. Am Nachmittag um 14.30 Uhr wird in der Ehlhaltener St. Michael-Kirche ein Dankamt gefeiert.bpa


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