Ein Schwerpunkt der Klassen von Geschichtslehrerin Doris Sprung sind die Ereignisse in Eppstein.
Erinnerung an Verfolgung und Neuanfang
Deshalb machte Geschichtslehrerin Doris Sprung mit der Abschlussklasse des Gymnasialzweigs der Freiherr-vom-Stein-Schule am Montag einen historischen Stadtspaziergang auf den Spuren des Kriegsendes in Eppstein: In der Staufenstraße machte die Gruppe Rast vor Haus Nummer 14. Dort lebte das Ehepaar Bäck. Moritz Bäck fiel wegen seiner jüdischen Eltern unter das Rasse-Gesetz der Nationalsozialisten. Er trennte sich von seiner nicht-jüdischen Frau Johanna und floh in seine tschechische Heimat. Johanna Bäck nahm sich 1940 das Leben. Moritz Bäck wurde 1943 inhaftiert und starb im Vernichtungslager Treblinka.
Weitere Stationen waren die Schmelzmühle. In der Scheune hatte Waldemar Steingötter 1932 eine Lederfabrik gegründet, die allerdings 1943 vorerst einem Rüstungsbetrieb mit zahlreichen Zwangsarbeitern weichen musste. Lederfabrikant Steingötter übernahm als Dienstverpflichteter treuhänderisch mehrere Lederfabriken im polnischen Lublin. Voriges Jahr wurde er nun posthum vom Staat Israel als „Gerechter unter den Völkern“ ausgezeichnet, weil es ihm in Lublin gelungen war, einige seiner jüdischen Arbeiter vor der Deportation zu retten.
Im Haupthaus der Schmelzmühle lebte während des Kriegs der Künstler Robert Michel mit seiner Frau, der Künstlerin Ella Bergmann-Michel, und seinen beiden Kindern. Beide litten unter dem Berufsverbot, das sie als „entartete Künstler“ abstempelte.
Auf Hof Häusel besichtigten die Schüler die bronzene Inschrift am Hoftor zur Villa Paderstein. Die Inschrift erinnert an die jüdische Familie Paderstein, die 1938 gezwungen war, ihr Haus zu verkaufen und auszuwandern. Die heutigen Bewohner, das WEC Missionswerk, ließen die Tafel 2022 zum 100-jährigen Bestehen der Villa anbringen.
Letzter Halt auf ihrem historischen Stadtrundgang war für die Schülerinnen und Schüler die Villa der Fabrikantenfamilie Froelich in der Mendelssohnstraße 17. Dort waren ab Mai 1945 amerikanische Soldaten einquartiert. Die heutige Besitzerin, Gertrud Löns, ist selbst in dem Haus aufgewachsen und hat vor einigen Jahren die Geschichte des Hauses und ihrer Bewohner aufgeschrieben.
Die inzwischen 90-Jährige erzählt darin, wie die Familie nach der Kapitulation Deutschlands im Mai 1945 ausquartiert wurde und amerikanische Soldaten das Haus besetzten. Zeitweise lebten dort bis zu 25 Soldaten. Gertrud Löns schildert auch, wie die Großmutter die Familie mit mageren Essensrationen und etwas Gemüse aus dem Garten durchfütterte.
Die große Not in den ersten Nachkriegsjahren und die Entwicklung der beiden deutschen Staaten waren ebenfalls Thema im Geschichtsunterricht – und als Symbol für die Luftbrücke zur Versorgung der Berliner Bevölkerung während der Blockade durch die sowjetische Besatzungsmacht 1948, das Luftbrückendenkmal neben dem Frankfurter Flughafen.
Auch die Gymnasiasten wussten von den Großeltern ein wenig über deren Kriegserlebnisse. Eine Schülerin berichtete, dass der Großvater ihr von seiner Flucht aus dem heutigen Polen erzählt habe, eine andere kannte zwar alte Fotos aus dem Krieg, erklärt habe der Opa die Bilder allerdings nicht. bpa
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