Neue Stellplatzsatzung steht weiter in der Kritik

Wohin mit den Autos – die Stellplatzsatzung regelt, wieviele Parkplätze pro Wohneinheit nachgewiesen werden müssen.    Foto: JW/Pixabay.com

So unterschiedlich kann eine Beurteilung ausfallen: Für Bürgermeister Alexander Simon ist die neue Stellplatzsatzung, deren überarbeiteter Entwurf in der nächsten Sitzungsrunde beraten wird, eine „Sternstunde der Politik“,

… während die Eppsteinerin Sandra Matzenauer, die in leitender Tätigkeit bei Bauaufsichten in Südhessen tägig ist, befürchtet, dass die Stadt mit der Überregulierung der Parkplatzordnung neue Bauvorhaben schlicht abwürgt. Sie hat deshalb einen Brief an die politischen Fraktionen geschrieben, in dem sie vor möglichen Folgen warnt: Eppstein würde für jedes Bauvorhaben, egal ob Wohnungen oder Gewerbe, erheblich mehr notwendige Stellplätze fordern als umliegende Kommunen. Dies wiederum führe dazu, dass enorme Grundstücksflächen versiegelt und der Bau von bezahlbarem Wohnraum sowie die Ansiedelung von Betrieben erschwert würden.

Ähnlich äußerte sich vor wenigen Wochen bereits der Eppsteiner Gebäudeverwalter Florian Cantzler. Auch er hat inzwischen die überarbeitete Satzung gelesen und bleibt dabei: „Die Stellplatzsatzung kommt sehr oft zur Anwendung, nicht nur bei Neubauten, sondern bei allen genehmigungspflichtigen baulichen Änderungen wie Nutzungsänderungen von Einfamilien- zu Zwei- oder Mehrfamilienhaus, bei Aufstockungen oder Teilung vorhandener Gebäude. Insofern dürften viele Eppsteiner – früher oder später – unmittelbar betroffen sein.“ Und vor allem, so Cantzler, dürften viele Möglichkeiten wie die Umnutzung bestehender Einfamilienhäuser zu Mehrfamilienwohnhäusern schlicht an der Stellplatzsatzung scheitern, schon wegen der vielen Hanglagen.

Matzenauer weist darauf hin, dass der bundes- und landesweite Trend eindeutig in Richtung Bürokratieabbau gehe, um Genehmigungsprozesse zu vereinfachen, Versiegelung der Grundstücksflächen zu verringern und Fahrradverkehr und Wohnungsbau für Familien zu fördern. Laut Matzenauer gehe die für Eppstein geplante Satzung genau in die entgegengesetzte Richtung.

Simon hält dagegen: Selten hätten Eppsteins Kommunalpolitiker so intensiv und konstruktiv zusammengearbeitet. Zwei Jahre lang habe man diskutiert, Anregungen der Oppositionsfraktionen aufgegriffen und „optimale Parklösungen“ insbesondere für Neubauten und Neubaugebiete für die nächsten Jahrzehnte erarbeitet. Deshalb verstehe er die Kritik nicht.

Von privaten Kraftfahrzeugen zugeparkte Straßen seien in Eppstein einer der größten Streitpunkte, betont Simon. Er verursache Nachbarschaftsstreitigkeiten, aber auch Zwist zwischen Anwohnern und Ordnungsamt. Deshalb ziele die neue Satzung darauf ab, den Parkraum von der Straße auf die Privatgrundstücke zu verlegen. Im Übrigen sei in Eppstein noch kein Bauvorhaben an den Parkplätzen gescheitert, bisher habe sich jedes Planungsproblem individuell regeln lassen. Ausnahmen seien fast immer möglich, falls notwendig. Die Stadt wolle sie aber nicht als Regel formulieren. Er betont außerdem, dass sich für Bestandsbauten nichts ändere – es sei denn die Nutzung ändere sich.

Auch das hält Matzenauer für bedenklich: „In vielen anderen Städten versuche man Bürokratie zu verschlanken, um Verwaltungen zu entlasten.“ In Eppstein dagegen sei zu befürchten, dass die vielen Ausnahmemöglichkeiten künftig dazu führen, dass viele Änderungsanträge gestellt würden oder ursprünglich genehmigungsfreie und damit auch gebührenfreie Bauvorhaben über einen Bauantrag laufen müssten. Das sei eine weitere Herausforderung für die ohnehin überlasteten Bauämter. Dabei lasse sich ein Grundproblem auch durch die Satzung nicht lösen: „Keine Satzung kann Garagenbesitzer dazu zwingen, ihr Auto nicht auf der Straße sondern in der Garage abzustellen.“

Immerhin sei die Stadt von der Maximalforderung von vier Stellplätzen für Wohnflächen über 200 Quadratmeter abgerückt, aber auch drei Stellplätze seien aus ihrer Sicht noch zu viel. Das zeige auch der Vergleich mit Stellplatzsatzungen in anderen Städten. Ähnlich argumentiert Cantzler. In der Regel würden ein bis zwei Stellplätze in Kombination mit ausreichend Fahrradabstellplätzen, auch für große Wohneinheiten zugelassen, sagt Matzenauer und zählt Hofheim (1), Niedernhausen (2) und Wiesbadens östliche Vororte (1,5 oder 2) auf. Lediglich Königstein stelle ähnlich exorbitant hohe Forderungen wie Eppstein.

Ein Stellplatz für kleine Wohnungen bis 60 Quadratmeter statt wie bisher 1,5 Parkplätze sei immerhin ein Fortschritt. Aber auch für neue Mehrfamilienhäuser sei die Anforderung immens: Die geforderten acht bis zehn – einzeln anfahrbaren – Stellplätze für ein größeres Vier-Familienhaus seien künftig wohl nur noch mit Tiefgaragen zu lösen. Günstiger Wohnungsbau sieht aus ihrer Sicht anders aus.

Nicht einmal die Entscheidung, ob sie Parkplätze hintereinander anordnen, überlasse die Stadt den Bauherrn und ihren Architekten und fordere darüber hinaus fünf Meter Abstand zwischen Straße und Garage oder Carport. „Das führt zu einer immensen Flächenversiegelung“, kritisiert Matzenauer, eigentlich ihr Hauptkritikpunkt an der Satzung: „So viel gepflasterter Raum für Parkflächen.“ das sei im Hinblick auf den Klimawandel vollständig gegen den Trend.

Bei den Gewerbeflächen kritisiert sie Ungerechtigkeiten: Der kleinflächige Einzelhandel müsse im Verhältnis mehr Stellflächen pro Quadratmeter (ein Stellplatz pro 20 Quadratmeter) nachweisen als der großflächige Einzelhandel (ein Stellplatz pro 30 qm). Die für Gaststätten und Hotels geforderten Nachweise, ein Stellplatz je 8 Quadratmeter, seien deutlich höher als etwa in Wiesbaden (einer pro 35 qm); aus ihrer Sicht ein deutliches Investitionshemmnis.

Laut Simon gebe es in der Regel eher Wechsel im Bestand als neuen Einzelhandel, und falls doch, „suchen wir gemeinsam nach praktikablen Lösungen.“ Wichtig sei ihm, eine bürgerfreundliche Lösung, die möglichst umfassend sei und alle Gesichtspunkte berücksichtige. Unter den über 100 Bauanträgen, die dem Magistrat pro Jahr vorgelegt würden, gebe es auch immer wieder Ausnahmeverfahren. Die meisten Fälle seien lösbar. bpa

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