Und selbst Musikprofessor Alois Ickstadt, gerade 95 Jahre alt geworden, kam mit dem Rollator zum Klavierkonzert: „Das lasse ich mir nicht entgehen!“ Sein Sohn Peter gab dem talentierten, damals sechsjährigen Valentin Blomer (inzwischen 48) den ersten Klavierunterricht.
Inzwischen ist der gebürtige Eppsteiner als kluger Kopf und Mathematik-Professor – aber auch als fingerfertiger Konzertpianist über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Einmal im Jahr spielt er in seiner Heimatstadt in der Kirche, in der seine musikalische Laufbahn als Organist begann. Und wo er dem Förderverein hilft, St. Michael als Veranstaltungsort zu erhalten in Zeiten, in denen Kirchenräume mehr und mehr verkauft und säkularisiert werden.
Förderverein-Gründer Alois Ickstadt freute sich besonders auf den Abend voll „Poesie und Virtuosität“ und erklärte mit Kennermiene: „Das Programm ist sehr gut gewählt.“
Es begann mit einem Werk des Russen Alexander Skrjabin (gestorben 1915), der die Vision lebte, die Welt durch Kunst zu erneuern. Philosophie, russischer Mystizismus und Spiritualität sollten seine Musik zum Gesamtkunstwerk erheben. Als Synästhet sah er Tonarten buchstäblich als spezielle Farben. Und ein eigens für ihn gebautes „Farbenklavier“ sorgt noch heute in der Musikwelt für Staunen.
Als 20-Jähriger übertrieb der exzentrische Skrjabin allerdings das Üben schwierigster Klaviermusik – und konnte danach als schmerzhafte Folge seinen rechten Arm eine geraume Zeit lang nicht benutzen. So kam er auf die Idee, sein Prelude und Nocturne (op. 9) nur für die linke Hand zu komponieren.
Was Valentin Blomer zupass kam: denn auch er litt unlängst an einer Entzündung des rechten Handgelenks. „Skrjabins Stück ist mir besonders ans Herz gewachsen.“
Mit schnellen und weiten Sprüngen seiner linken Hand über die Tastatur des Steinway-Flügels meisterte Blomer das Kunststück, die Melodie bruchlos singen zu lassen, während sie von energisch begleitenden Akkorden untermalt wurde. Man wünschte sich, dass der sagenhaft begabte und brilliant komponierende Skrjabin hierzulande öfter im Konzert zu hören wäre.
Bei Johann Sebastian Bachs Meisterwerk „Wohltemperiertes Klavier“ (Band 1) fühlt sich der Klavier spielende Mathematiker Blomer dann ganz besonderes wohl: „Das weitreichendste Werk, das je komponiert wurde. 250 Jahre seiner Zeit voraus!“ Er wählte vier Präludien und Fugen, erklärte den erstaunten Zuhörern die Kompositionstechnik, den Einfallsreichtum und die wundersame Harmonie des Bach-Werks, bevor er die Musik danach zu Gehör brachte.
Das Konzert endete mit der vorletzten Sonate (A-Dur, op. D 959) von Franz Schubert (gestorben 1828). Ein scheinbar nicht enden wollendes Umkreisen und Umschweben des Harmonie-Zirkels in Dur und Moll. Fast 30 Minuten träumerische, selig-innigliche und sehnende Romantik, die Schubert sowohl mit innerem wie mit äußerlichem Glanz scheinen lässt.
Tosender Beifall für Valentin Blomer, der sein Heimspiel in Niederjosbach auf eigenen Wunsch ohne Gage bestritt. Drei rote Rosen und eine Flasche guten Weins gab es für den Künstler von Bernhard Heinz vom Förderverein. Und eine fetzige Zugabe des Pianisten für seine Zuhörer.
Sie freuen sich aufs nächste Heimspiel Blomers, hoffentlich nächstes Jahr.rp/jp
Kommentare