Roman über die Frau, die Johannes den Täufer enthaupten ließ

Karin Seemayer an ihrem Schreibtisch.
            Foto: Beate Schuchard-Palmert

Karin Seemayer an ihrem Schreibtisch.

Foto: Beate Schuchard-Palmert

Ausgerechnet Herodias ist die Titelheldin im neuen Roman „Ich bin Herodias“ der Eppsteiner Autorin Karin Seemayer.

Herodias, die zweite Frau des Herodes Antipas, ist eine der Frauen, die in der Bibel als besonders manipulativ und intrigant beschrieben werden und im Christentum als Verkörperung von Versuchung und Bösem gilt. Seemayer schrieb ihr neues Buch zusammen mit Nicole Wellemin, einer befreundeten Autorin, unter dem Autorennamen Diana Remus. Es erscheint am 1. September im Aufbau-Verlag, allerdings nur als E-Book.

Beide Autorinnen waren fasziniert von Herodias und den Widersprüchen in ihrer Biografie. Schließlich folgte Herodias, die als extrem ehrgeizig und machtgierig beschrieben wird, ihrem zweiten Mann freiwillig ins Exil, obwohl sie selbst, immerhin eine Enkelin Herodes des Großen, von der Verbannung ausgenommen war und auch ihr Privatvermögen behalten durfte. Selbst in kritischen Texten über Herodias schließen die Autoren daraus, dass sie ihren zweiten Mann wohl wirklich geliebt haben müsse.

„Historische Quellen aus der Zeit um Christi Geburt gibt es nur ganz wenige und sämtliche Informationen stammen von Männern“, fasst Seemayer das Ergebnis ihrer Recherchen für die Neuerzählung ihrer biblischen Liebesgeschichte zusammen. Abgesehen davon, dass es kaum Informationen über die biblischen Frauen gibt, „gibt es im Neuen Testament auch sehr wenige nette Männer, die sich als Romanhelden eignen“, erzählt sie lachend, welche Schwierigkeiten sie und ihre Co-Autorin überwinden mussten, bevor der Plot für ihren Roman stand.

Wir sitzen in Seemayers kleinem Schreibzimmer unter der Dachschräge ihres Hauses in Vockenhausen. In den Regalen stehen einige historische Romane – eigene und von anderen Autoren. Einige Sachbücher liegen auf dem Besuchersofa. Auf dem Bildschirm stehen Entwürfe für Deckblatt, Innen- und Rückseite eines möglichen Druck-Exemplars von „Ich bin Herodias“.

In dem neuen Buch erzählt die Titelheldin rückblickend ihr Leben aus dem Exil in Südgallien, wohin der römische Kaiser Calligula ihren Mann Herodes Antipas im Jahr 39 nach Christus verbannt hat, von ihrer Kindheit, der Flucht mit der Mutter nach Rom und ihrer späteren Heirat und Rückkehr nach Jerusalem. Schon diese Ereignisse zeigen, wie schnell ein Angehöriger der Königsfamilie des Herodes den Kopf verlieren konnte: Herodias Vater und auch ihren Stiefvater ließ der misstrauische Tyrann Herodes hinrichten, später auch seinen eigenen Sohn. Nach der Bibel hat er als Verfolger des neugeborenen Jesus von Nazareth den Kindermord von Bethlehem angeordnet.

In diesem Geflecht von Intrigen, einer Welt, in der die Männer herrschen, trifft die junge Herodias schon früh die Entscheidung, dass sie selbst über ihr Schicksal bestimmen will.

Ihre zweite Heirat mit dem regionalen jüdischen Herrscher Herodes Antipas war ein Skandal: Die beiden Liebenden verließen ihre ersten Ehepartner. Das war damals durchaus üblich, allerdings musste die Initiative vom Mann ausgehen und begründet sein. Deshalb prangerte Johannes der Täufer, der ebenfalls eine zentrale Rolle in dem Roman spielt, Herodes Antipas und vor allem Herodias öffentlich als Ehebrecher an.

Der Verlauf der Geschichte ist aus der Bibel und unzähligen späteren Darstellungen bekannt: Johannes Inhaftierung, der Schleiertanz der Salome, Herodias Tochter aus ihrer ersten Ehe, das Versprechen des Herodes und die Forderung, das Haupt des Johannes auf einem Tablett zu präsentieren. So weit die Erzählung der Bibel. „Das kann so gar nicht stattgefunden haben“, behauptet Seemayer und führt an: „Salome war eine Fürstentochter und hat schon deshalb nicht bei einem Gelage vor den Gästen getanzt. Außerdem war sie zur Zeit von Johannes Hinrichtung längst mit einem anderen Herrscher verheiratet“. Der Mythos über den Schleiertanz stamme wohl ursprünglich von römischen Geschichtsschreibern, bevor er in die Bibel einging. .

Der Roman erzählt in Ich-Form, wie Herodias diesen Konflikt erlebte. „Das ist Nicoles Spezialität, während ich mir die historischen Recherchen vornahm“, verrät Seemayer die Arbeitsteilung der beiden Autorinnen. Seemayer hat in Apokryphen und historischen Abhandlungen unterschiedliche Darstellungen und Vermutungen über das Leben Jesu und die Menschen in seinem Umfeld gefunden und daraus einige Änderungen an den biblischen Wahrheiten abgeleitet, die durchaus für Widerspruch sorgen können: So stammt Jesus Mutter Maria im Roman aus wohlhabendem Haus und ist keine Jungfrau mehr. Jesus selbst ist in dem Buch mit seiner wichtigsten Gefährtin, Maria Magdalena, verheiratet – „einfach weil es sehr unwahrscheinlich ist, dass ein Mann mit Einfluss in der damaligen jüdischen Gesellschaft nicht verheiratet war“, sagt Seemayer.

Auch über das Leben im antiken Rom und die politischen Verhältnisse und Intrigen im ersten nachchristlichen Jahrhundert haben die beiden Frauen viele Informationen gesammelt. Nicole Wellemin reiste dazu nach Rom und besichtigte die Ausgrabungen von Pompeji. Die Autorin lebt in der Nähe von München und hat zwei Romane bei Piper veröffentlicht und etliche „Wohlfühlromane“ unter Pseudonym, so Seemayer. Geschrieben haben die beiden nach einem genauen Szenenplan: „ich war für den historischen Hintergrund und die politischen Kapitel zuständig, Nicole hat über Zeitcolorit und Stimmungsbilder geschrieben. „Das Buch ist dennoch flüssig zu lesen“, sagt Seemayer, selbst die Lektorin habe kaum Unterschiede im Stil entdeckt.

Ihr voriger Roman „Bergleuchten“ über den Bau des Gotthardtunnels habe sich sehr gut verkauft. Vor allem in der Schweiz sei das Buch gelobt worden, sogar von einem Schweizer Historiker. Darauf ist sie stolz.

Eine andere Idee, ein Roman über Zwangsarbeiter im Zweiten Weltkrieg im Taunus, lehnte ihr Verlag ab, der Markt für Bücher aus dieser Zeit sei gesättigt. „Historische Romane verkaufen sich zurzeit nicht mehr so gut“, hat sie selbst beobachtet. Deshalb veröffentlicht der Verlag ihr „Ich bin Herodias“ vorerst als E-Book. Seemayers nächstes Buch spielt, wie eine ihrer historischen Serien, wieder in der Toskana, aber in der Gegenwart – „leichte Urlaubslektüre“, sagt Seemayer. Es erscheint voraussichtlich Anfang 2026.

Die Eppsteiner Autorin ist auf der Eppsteiner Büchermesse am 22. November im Musikschulhaus nicht mit einem eigenen Stand anzutreffen, sondern als Vertreterin des Bundesverbandes junger Autoren. bpa

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