Künstlerwettbewerb im Spannungsfeld der Gegensätze

Die Vernissage zum Künstlerwettbewerb zog viele Besucher ins Bürgerhaus in Alt-Eppstein. Foto: Walter Adler/adler-photoart.de

Die Vernissage zum Künstlerwettbewerb zog viele Besucher ins Bürgerhaus in Alt-Eppstein. Foto: Walter Adler/adler-photoart.de

Spannung lag in der Luft zu Beginn der Vernissage am vergangenen Sonntag im Bürgersaal vor der Bekanntgabe des Künstlerpreises. Weit mehr als hundert Gäste drängten sich vor den Stellwänden und nahmen mit großem Interesse die insgesamt 81 Exponate zum Thema „Balance“ in Augenschein.

65 Künstlerinnen und Künstler aus dem Main-Taunus-Kreis hatten sich mit 155 Werken aus den Genres Malerei, Grafik, Skulptur und Plastik, Installation und Fotografie um den Künstlerpreis des Kulturkreises Eppstein beworben. Die Jury aus Fachleuten traf eine Vorauswahl. 53 Bewerber kamen zum Zug, die ihre Werke beim sechsten Künstlerwettbewerb noch bis zum 9. November im Bürgersaal präsentieren und – bis auf die bereits ausgezeichneten Künstler – nun eine Chance auf den Bürgerpreis haben.

In seiner Begrüßung würdigte der Vorsitzende des Kulturkreises, Horst Winterer, die Qualität der Kunstwerke. Den Wettbewerb auf den gesamten Kreis auszudehnen, sei eine gute Entscheidung gewesen, sagte er, und lobte die Vielfalt der Darstellungen. Ob Balance im wörtlichen Sinn oder abstrakt zwischen Spannungsfeldern wie Licht und Schatten, Schwere und Leichtigkeit oder Chaos und Harmonie – das Spektrum der Interpretationen sei weit gefächert.

„Das Thema ist aktueller denn je“ sagte Schirmherr Alexander Simon, die Menschen seien herausgefordert eine Balance zu finden zwischen Arbeit und Freizeit, Tradition und Wandel sowie Mensch und Natur. Dankbar für das kulturelle Engagement des Vereins in der Stadt spendete Simon dem Kulturkreis 250 Euro aus eigener Tasche.

Nach den Grußworten war es dann soweit: Jury-Mitglied Blanka Slavik-Wunnicke, eine Mitarbeiterin am Museum Reinhard Ernst in Wiesbaden und bei der Hochheimer Kunstsammlung, gab die beiden Preisträger bekannt. Den ersten mit 1200 Euro dotierten Preis erhielt Jörg Strobel für „Echodome“, ein in Ölfarbe gemaltes Bild überdeckt mit einer Plexiglasplatte. „Wir waren alle geflasht von diesem meisterhaften, hochaktuellen Werk“, sagte sie mit leuchtenden Augen, das Thema sei darin wunderbar verkörpert. Der zweite Preis ging an Thomas Grimberg für die Fotografie „Homeland Taunus“. Er darf sich über 300 Euro freuen. Direktor Eric Hemmerling von der Taunus Sparkasse Bad Homburg, Sponsor der Preisgelder, überreichte die Urkunden.

Erfreut über die Auszeichnung sprach Jörg Strobel, Künstler aus Kelkheim, warnende Worte. „Die Welt wird digitaler“, sagte er dem Publikum, „aber wir sind aus Fleisch und Blut“. Es gelte, eine Balance zwischen dem Digitalen und dem Analogen zu finden und den digitalen Mitteln das richtige Maß beizumessen. Wir sollten unsere Körperlichkeit nicht verlieren. Er wolle jedoch nicht den Zeigefinger erheben, das sei nicht die Aufgabe der Kunst, sondern dazu beitragen, Achtsamkeit zu fördern.

Im Bürgersaal ist nur ein Teil seines zweiteiligen Werks ausgestellt. Es gibt den Blick frei auf den abgeschlossenen „Echodome“, in dem eine Familie – mit dem Rücken zum Betrachter – ihre Aufmerksamkeit auf digitale Angebote, Marken und Medienbilder richtet. Die aufgedruckten Rasterpunkte auf dem Plexiglas wirken als Filter der auf das Digitale gerichteten Wahrnehmung. Die „Blase“ ist umrahmt von die reale Welt symbolisierenden Farben und Formen der Natur in fast naiver Form.

Grimbergs kontrastreiche Fotografie mit dem Titel „Homeland Taunus“ zeigt dagegen eine mit Schieferplatten bedeckte Hauswand, davor den Bug eines teuren Autos in ähnlicher Farbe. Die rote Bremse im Vorderreifen sticht ins Auge. Das Grün von „Omas“ Garten in der linken Bildhälfte steht im Kontrast zu den grauen Schieferplatten. „Die Schindeln erhalten das Haus“, erklärte der Künstler aus Weilmünster, das Althergebrachte sei – weil es ein Heim biete – wertvoll im Vergleich zum Lamborghini, der möglicherweise teurer sei als das Haus, aber im Grunde unnütz. Die Leiterin des Projektteams „Künstlerwettbewerb“ Dagmar Hirtz-Weiser ermunterte das Publikum für den Bürgerpreis abzustimmen.

Jeder habe eine Stimme. Zur Auswahl stehen die verbliebenen 79 Kunstwerke, auch diejenigen, die die Jury bereits lobend erwähnt hat: Die Marmorsäule, dazwischen die mit Bienenwachs bezogenen Kissen unter dem Titel „Die Schmelze #2“ vom Künstlerduo ZISCHG+KOLT, „Seelenverwandte“ aus der Serie „MITEINS“ von Katja Trümper sowie das Kunstwerk zum Anfassen und Gestalten „Kartenwerk – Stadt. Land. Fluss“ von Ute Reinecke.

Zur Teilnahme steht ein Wahlschein zur Verfügung, in den die Nummer des favorisierten Werkes eingetragen wird. Dort ist auch ein QR-Code zu finden, der Zugang bietet zu den erläuternden Texten der Künstlerinnen und Künstler.

Die Ausstellung im Bürgersaal, Rossertstraße 21, ist bis Freitag, 7. November, täglich von 15 bis 19 Uhr, Samstag, 8. November, von 11.30 bis 19 Uhr geöffnet und am Sonntag, 9. November, von 11.30 bis 17 Uhr. Der Bürgerpreis wird am letzten Ausstellungstag um 16.30 Uhr verliehen, bis etwa 15.30 Uhr kann man seine Stimme abgeben. mi

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