Klavierfest: Großer Applaus für ernste Musik, Abschluss in Hofheim

Das Franck Piano-Trio mit Michel Gershwin, Anna Victoria Tyshayeva und DmitrijGornowskij (v.l.).Foto: Julia Palmert

Das Franck Piano-Trio mit Michel Gershwin, Anna Victoria Tyshayeva und DmitrijGornowskij (v.l.).Foto: Julia Palmert

Musik in Zeiten des Krieges, des Terrors und des Tötens. So etwas hat Eppstein bisher nicht gehört. Das 15. Klavierfest in der Talkirche endete am vergangenen Sonntag mit dem Klaviertrio des russischen Komponisten Dimitrij Schostakowitsch († 1975).

Er vollendete das Werk 1944, nachdem er seine beiden Kriegssinfonien, Nr. 7 („Leningrader“) und Nr. 8, geschrieben hatte.

27 Millionen Sowjetbürger starben im Zweiten Weltkrieg durch den deutschen Vernichtungskrieg unter Hitler. Auch sein persönlicher Freund Ivan Sollertinski kam 1944 zu Tode. Schostakowitsch überlebte. In seiner Musik verarbeitete er zeitlebens das Grauen. Folkloristisch angehauchte Tanzrhythmen mutieren bei ihm zu Tänzen des Todes – wie der „Danse macabre“ im Klavier-Trio. In vielen Märschen rast eine entfesselte Soldateska durch die Musik, ehe geradezu geisterhafte Stille eintritt.

Das Klavier-Trio e-Moll hob an mit einem langen, sehr hohen, leisen, aber insistierenden Ton des Cellisten Dimitrij Gornowski. Michel Gershwin ließ seine Geige abwechselnd fahl und grell leuchten. Und Klavierfest-Initiatorin Anna Victoria Tyshayeva unterlegte die beiden Streicher mit düsteren Klavier-Oktaven und motorischen Läufen im Bass.

Das „Franck Piano Trio“ spielte grandios. Mit virtuosem Pizzicato (gezupfte Saiten), mit schlagendem Bogen (perkussive Effekte), mit einem getragenen Choral und mit bohrender Intensität, bis sich im Finalsatz Trauer und Trotz in Trauer und Trost lösten.

Die Zuhörer in der Talkirche verharrten nach dem letzten Ton wie gebannt, ehe langer Applaus losbrach. Die Botschaft dieser sperrigen, aber packenden und expressiven Musik verstanden wohl auch diejenigen, die nach dem Trio von Robert Schumann zu Beginn des Konzertabends gern weiter in romantischen Melodien geschwelgt hätten.

Doch Anna Tyshayeva hatte Schostakowitsch mit Bedacht auf ihr Programm gesetzt: dessen Todestag jährt sich gerade zum 50. Mal; und in ihrer Heimat Ukraine, tobt erneut ein mörderischer Krieg. Diesmal als Angriffskrieg von Russland.

Der Humanist Schostakowitsch verzweifelte wohl an der Rohheit, Dummheit und Gewalt der Menschheit. Zuversicht, Heiterkeit findet man jedenfalls selten in seiner Musik. Sie klingt stattdessen bitter, sarkastisch, grotesk und endete in seiner 15. Sinfonie in Lakonie.

Derart eindringlich und meisterhaft dargeboten wie vom „Franck Piano Trio“ kann auch solch ernste Musik Zuhörer packen, die sich sonst wenig damit beschäftigen.

Viele gingen an diesem besonderen Abend in Eppstein dennoch optimistisch nach Hause. Dafür sorgten auch die Zugaben der Musiker: ein leichtfüßiges Trio von Joseph Haydn sowie eine Bearbeitung aus der Matthäus-Passion von Johann Sebastian Bach, „Herr, erbarme Dich!“.

Das Eppsteiner Klavierfest endet, wie seit vielen Jahren, wieder in Hofheim. Am Samstag, 14. Juni, um 19 Uhr spielt Anna Tyshayeva mit dem „Franck Piano Quintett“ und Gästen Werke von Bach, Haydn und Schumann. Eintrittskarten für den Plenarsaal des Landratsamtes kosten 25 Euro im Vorverkauf oder 30 Euro an der Abendkasse.

Und am 23. August um 18 Uhr bittet Anna Victoria Tyshayeva um Hilfe für die Ukraine. In einem Benefizkonzert mit Freunden sammelt sie auch dieses Jahr wieder für die Hilfsorganisation „M Corporation“ in Odessa.rp

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