Ein Fest voll Herzlichkeit und gelebtem Brauchtum

Beim Kerbeumzug schien in Ehlhalten die Sonne.Foto: Caren Lewinsky

Beim Kerbeumzug schien in Ehlhalten die Sonne.Foto: Caren Lewinsky

Mit schwingenden Fahnen, Blaskapelle, Bembel und dem Eisbärmaskottchen „Kerbeschoki“ zogen Ehlhaltens Kerbeburschen und -mädchen am Sonntag beim Kerbeumzug durch die Straßen.

Verstärkt wurde der bunte Zug durch befreundete Kerbegesellschaften aus den Nachbardörfern.Nachdem ein kräftiger Regenguss das Fest am Sonntag zunächst etwas eingetrübt hatte, strahlte die Sonne danach umso heller und begleitete die Kerbeburschen auf ihrem Weg durch Feldbergstraße, Königsteiner und Langstraße bis zum Kerbeplatz vor der Dattenbachhalle.

Albert Kretschmer begrüßte sie an seinem Verpflegungsstand an der Silberbachstraße. Den aktiven Katholiken freute es besonders, dass am Morgen während des Gottesdienstes alle Kerbeburschen anwesend waren, sogar jene, die sonst nicht regelmäßig die Kirche besuchen. Schließlich reichen die Wurzeln der Kerb zurück in vergangene Jahrhunderte, zum Kirchweihtag, der mit einem Gottesdienst gefeiert wurde. Daraus entwickelte sich die Kirmes oder, wie es in Hessen heißt, die „Kerb“.

Kretschmer versorgt seit über zehn Jahren die Kerbegesellschaft mit Früchtetee vom Silberbach und Kaffee. Alkohol sucht man bei ihm vergebens – stattdessen freuen sich alle auf einen heißen Tee, zubereitet von Alberts Ehefrau Lucia aus selbstgepflückten Beeren.

Wie an der Silberbachstraße erwarten den Zug entlang des Zugweges etliche Privatleute, die Getränke oder etwas zu essen vorbereitet haben. Andere schmücken den Zugweg im alten Dorf mit Birkenreisern. Auch das hat Tradition.

Pressesprecherin Ann-Kathrin Schomburg zeigte sich glücklich über den harmonischen Verlauf der Malleparty am Freitagabend und bedankte sich bei den zahlreichen Helfern, die das Umbauen der Bühne möglich machten.

Wegen des Feiertags zum Tag der Deutschen Einheit feierten die Ehlhaltener einen Tag länger und stellten auch den Kerbebaum schon am Freitag auf. Dank der Mitarbeiter von MB Baumdienste hatte der Kerbebaum noch fast alle Äste, denn mit Hilfe eines Greifarms wurde der Baum im Wald professionell gesägt und abgelegt. Die Kerbeburschen holten ihn wie jedes Jahr in einer Gemeinschaftsaktion mit Trecker und Anhänger aus dem Wald und stellten ihn mit den „Schwalben“ genannten langen Stangen mit Muskelkraft und Geschick auf. Am Samstag folgte der Fassbieranstich und das legendäre Straußeneierbacken, abends Kerbetanz.

Am Sonntagvormittag ehrte die Kerbegesellschaft langjährige Mitglieder: Coronabedingt wurden die Ehrungen der Jubilare zur 25. Kerb von 2020 nachgeholt, sodass an diesem Tag etliche Kerbeväter, Fahnenschwenker und Gründungsmitglieder ausgezeichnet wurden.

Norbert Brandmeier, seit 40 Jahren in der Kerb aktiv, Mitgründer des Kerbevereins 1995 und ehemaliger Kerbevadder, wurde zum Ehrenmitglied ernannt. Der ehemalige Kletterer bei der Süwag zeigt seit ebenso vielen Jahren den jeweiligen Kerbevätern die Kunst, mit Steigeisen und Gurt den schwankenden Kerbebaum hinaufzusteigen, um den „Schlackes“, den Wächter der Kerb, zu befestigen – so, wie in diesem Jahr schon zum zweiten Mal Kerbevadder Pascal Holz.

Zum Ehrenkerbevadder ernannt wurden Andreas Ewald, Matthias Hofman, Andreas Frankenbach und Sascha Ernst, zum Ehren-Vize-Kerbevadder Marc Racky. Ehren-Fahnenschwenker wurden Holger Ernst, Lukas Weil und Max Schomburg.

Anstatt für jeden Geehrten Geschenke auszusuchen, entschied sich die Gemeinschaft dafür, eine Panoramaliege anzuschaffen. Ein Standort ist auch schon gefunden: Am Dorfplatz neben der Kerbelinde, die vor 30 Jahren gepflanzt wurde mit einem schönen Blick auf die rückwärtige Fachwerkfassade der Langstraße und auf die Kirche. Dieses Geschenk, so Schomburg, komme allen Einwohnern zugute.

Abgerundet wurde der Jubiläumsfrühschoppen am Sonntag von den „Breendelern“. Die Blaskapelle sorgte mit Flügelhörnern, Tenorhorn, Marschtrommel und Pauke für beste musikalische Begleitung.

Beim Umzug am Sonntag wurden etliche Fahnen aus dem Fundus geholt und geschwenkt. Die älteste Kerbe-Fahne – versehen mit etwas angestaubten Sprüchen über „alter Wein und junge Weiber“ – ist weitaus älter als die Kerbegesellschaft und schon auf den Kerbefotos von 1960 zu sehen. Damals lebte die Kerb nach einigen Jahren Pause gerade wieder auf. Erstmals zeigten sich die Kerbeburschen in einheitlicher Kleidung: Schwarze Hose, weißes Hemd und Kappe. Beim Umzug begleitete sie der mit allerlei Bändern geschmückte „Kerbehammel“.

Zum Tanz spielte damals die Kapelle „Ramona“ auf. Sie blieb über Jahrzehnte die Stimmungskapelle der Ehlhaltener Kerb. Um die Musik zu finanzieren verkauften die Kerbeburschen Tanzbändchen. Für etwa zwei Mark durften die Paare die ganze Nacht lang tanzen. Ein einzelner Tanz kostete 10 Pfennige, heißt es in der Chronik, die die Kerbeburschen zum Jubiläum herausgegeben haben.

Gefeiert wurde die Kerb zur Kirchweih schon lange vor dem Zweiten Weltkrieg. Ein Foto zeigt die Kerbeburschen 1928 vor dem Gasthaus Zur Krone. Damals gab es zwei Kerbegesellschaften, eine „hib de Bach“ und eine „drib de Bach“, die im Gasthaus Zum Taunus feierte. Den Kerbemontag und die Nachkerb feierten die Gesellschaften übrigens gemeinsam, wechselweise im Gasthaus des anderen.

1946 feierten die Ehlhaltener ihre erste Kerb nach dem Zweiten Weltkrieg. Das Gasthaus Zur Krone wurde zum zentralen Ort. Dort wurde der Kerbebaum aufgestellt, den die Kerbeburschen zuvor widerrechtlich im Nonnenwald gefällt hatten. Für den „Waldfrevel“ musste jeder Kerbebursch bei der Stadt Hofheim einen kleinen Obolus entrichten. 22 Kerbeburschen packten damals mit an, sie hackten Holz, um aus dem Verkauf die Kerb zu finanzieren. Das Kerbeschild holten sie mit einem Kuhfuhrwerk aus Frankfurt, bezahlt wurde es laut Chronik mit echter „Ihlhäller“ Kuhmilch.

Mit dem Bau der Dattenbachhalle 1974 begann für die Kerbeburschen eine neue Ära. Es gab endlich wieder einen Raum, um die Kerbetradition aufleben zu lassen. Mit neun Burschen war die Truppe bei der Kerb 1975 allerdings noch recht klein. 20 Jahre später sah das schon anders aus: Rund 50 aktive und ehemalige Kerbeburschen gründeten 1995 die Kerbegesellschaft „Die Kohlestibbel“. Michael Kilb wurde Erster Vorsitzender. Gründungsmitglied Norbert Brandmeier erinnert sich, dass die Versicherungen zur Absicherung von Veranstaltungen ein Anlass für die Vereinsgründung war. In dem Verein engagierten sich auch viele Altkerbeburschen, die ihre Erfahrung einbrachten.

Anfang der 2000er Jahre erlebten die Kerbeburschen erneut einen Einbruch. Neue Kerbeburschen und längst auch -mädchen waren schwer zu motivieren. Die Corona-Jahre seien ebenfalls hart gewesen. Zur Nach-Corona-Jubiläumskerb zählte die Truppe jedoch wieder 29 Aktive, wenige Wochen vor dem Fest trat Nummer 30 ein – ein junger Mann aus Heftrich – damit die Jubiläumszahl erreicht werde.

Wie dem auch sei, bei der Kerb gehe es um die Gemeinschaft, versichert Sprecherin Ann-Kathrin Schomburg. Die spüren die Kerbeburschen schon lange vor der Kerb, wenn sie die Festtage vorbereiten oder bei den Kohlestibbelchen, der Jugendgruppe der Gesellschaft, wo derzeit 37 Jungen und Mädchen zwischen 6 und 15 Jahren den Schmuck für den Kerbebaum basteln – dieses Jahr fiel er besonders prächtig aus –, Kerbelieder üben, Ausflüge machen und dabei Freundschaften knüpfen, die oft ein Leben lang halten. ccl/bpa

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