gearbeitet, einer Einrichtung des Evangelischen Hilfswerks in Vockenhausen. Es nutzte von 1953 bis 1963 die Villa Paderstein, die nach der Flucht der jüdischen Familie Paderstein 1938 zunächst ein privates Kinderheim, dann Kindererholungsheim des Oberkommandos des Heeres und nach dem Krieg wieder Kinderheim wurde.
Blessmann war bereit, von ihren Erfahrungen zu berichten. Die 1938 in Berlin-Charlottenburg geborene ausgebildete Kinderbetreuerin erzählte, das Erholungsheim sei eine Einrichtung für Kinder zwischen zwei und 14 Jahren gewesen. 1958 habe man dort 45 Kinder betreut. Der Aufenthalt war für Kleinkindergruppen und Erholungskinder aus sozial schwachen Familien gedacht. Das Heim beherbergte Kleinkindergruppen, Schulanfänger und Erholungskinder in den Sommerferien. Als Betreuerin machte Gisela Blessmann die Kinderpflege, zugehörige häusliche Arbeit und betreute die Kinder je nach Bedarf.
Die Mitarbeiterin des Stadtarchivs, Sonja von Saldern, hat Blessmann interviewt.
Sonja von Saldern: Wie kamen Sie als gebürtige Berlinerin nach Eppstein?
Gisela Blessmann: Ich hatte eine Tante in Frankfurt und hörte von einer freien Stelle dort. Ich bewarb mich und wurde angenommen.
v. Saldern: Wie sah der Tagesablauf der Kinder aus?
Blessmann: Es fing mit dem Frühstück an. Wir waren danach viel draußen und sind mit den Kindern spazieren gegangen. Nach dem Mittagessen wurde ein Mittagsschlaf gemacht. Eigens dafür gab es eine „Liegehalle“, wo sich die Kinder ausruhen konnten.
v. Saldern: Wie wurden Feste gestaltet? Weihnachten, Ostern und die Geburtstage der Kinder?
Blessmann:: Weihnachten haben wir mit Baum schmücken, Plätzchen backen und Krippenspiel gemeinsam mit den Kindern gefeiert und das Fest auch gemeinsam gestaltet. Ostern und an den Geburtstagen war es ähnlich, nur nicht so aufwändig.
v. Saldern: Wie wurden die Kinder sanktioniert, wenn sie etwas angestellt hatten?
Blessmann: Wenn sie weggelaufen waren, beispielsweise bekamen sie Hausarrest oder mussten früher ins Bett gehen oder in den Schuhkeller. Isolierzimmer gab es nicht.
v. Saldern: Was haben Sie in den Ferien unternommen?
Blessmann: Wir waren immer viel wandern und sind oft an der Straße entlang gegangen, das ging damals noch. Es war eine gute Zeit. Auch im Wald waren wir viel unterwegs.
v. Saldern: Gab es auch männliche Angestellte in der Zeit, in der Sie dort waren?
Blessmann: Nein, es gab nur Frauen. Jeweils zwei Frauen teilten sich ein Zimmer.
v. Saldern: Weshalb haben sie aufgehört, in der Einrichtung zu arbeiten?
Blessmann: Es zog mich in die Berge, ich wollte unbedingt in den Bergen leben. Als eine Stelle im Kleinen Walsertal frei war, griff ich zu. Das war auch der einzige Grund, weshalb ich von Hof Häusel wegging. Die Kinder hatten es gut dort, es gab keine drakonischen Strafen. Aufgrund meiner gesundheitlichen Situation nahm ich danach eine Stelle als Säuglings-Pflegerin an. Dort lernte ich meinen Mann kennen, zog mit ihm nach Bad Hersfeld und bekam meine zwei Söhne.
v. Saldern: Danke für das Interview.
Seit 1963 ist die Villa Paderstein Sitz des Missionswerkes des WEC (Weltweiter Einsatz für Christus), das ebenfalls viele Kontakte zu Zeitzeugen und früheren Bewohnerinnen und Bewohnern hält.
Kommentare