Sie führte rund 20 Teilnehmerinnen und Teilnehmer vom Bettelbub, einst „Kelterturm“ genannt, über das Kelterhaus, der jüngsten Ausgrabungsstätte auf der Burg, in den Altangarten.
Anschließend ließ Mundschenk Ramon Olivella von der Eppsteiner Weinpresse die Gruppe in der Kemenate drei ausgesuchte Weine kosten. Milder Riesling, Gewürztraminer und Heugumber Gutedel mundeten ausgezeichnet, haben aber mit dem Wein zu mittelalterlichen Zeiten nicht mehr viel gemein. Der heunische oder hunnische Wein war damals weit verbreitet: weiß, wässrig und süßlich im Geschmack, weniger alkoholhaltig und von geringerer Qualität. 119 Rebsorten stammen vom Heunischen ab, auch der schon den Römern bekannte und im Mittelalter weit verbreitete Elbling oder Kleinberger sowie der erst seit dem späten Mittelalter dokumentierte Riesling. Letzterer ist bis heute eine der hochwertigsten Rebsorten der Welt.
Welche Rebsorten in Eppstein angebaut wurden, ist nicht überliefert, so Speck. Die Quellen, die über den Anbau von Wein im Mittelalter Aufschluss geben, seien nur spärlich. Im Fokus standen zunächst Anbau und Konsum von Wein in der Zeit der Grafen von Eppstein. Die Herren von Hainhausen aus dem Rodgau erhielten 1190 die Burg als Lehen. Sie verlegten ihre Residenz dorthin und nannten sich fortan nach ihrem neuen Sitz.
Bevor die Herren von Eppstein aufgrund finanzieller Schwierigkeiten 1492 die westliche Hälfte der Burg an die Landgrafschaft Hessen verkaufen mussten, erstreckte sich deren Lehen über das gesamte Rhein-Main-Gebiet und darüber hinaus. Ihr Territorium umfasste Ländereien im Odenwald, an der Lahn und im Vogelsberg – mit Eppstein als Machtzentrum, berichtete Speck. Sie besaßen Weinberge im Rheingau, am Mittelrhein, in Rheinhessen und in Franken. Trotz der kärglichen Quellen gilt es als gesichert, dass es auch in Eppstein Weinanbau gab insbesondere in der bis ins 14. Jahrhundert dauernden Warmzeit. Straßen- und Flurnamen verraten es: Es gab beispielsweise Weinstöcke auf dem Wingertsberg, am Rödelberg sowie am Staufen. Wahrscheinlich wurden auf Grund des Klimas in erster Linie widerstandsfähige und unempfindliche Rebsorten kultiviert, vermutete Speck. Wein galt damals als nahrhafte Ergänzung, die der Kräftigung des Körpersdienen sollte und erfreute sich großer Beliebtheit. Die Eppsteiner Herren besaßen außerdem das Weinausschank-Monopol und konnten deshalb eine Steuer auf den Wein erheben.
Weinbau wurde auch in Eppstein jahrhundertelang kultiviert
Die vom Burgverein liebevoll gepflegten Weinstöcke im Südzwinger sollen an Eppsteins Weinbautradition erinnern. Dieser Zwinger wurde während des 30-jährigen Kriegs zur Verteidigung errichtet und spätestens seit 1715 für Wein- und Obstanbau genutzt. Heute hat jede Rebe einen Paten, der im Herbst seine Tafeltrauben selbst ernten darf, berichtete Olivella.
Bevor der Bettelbub in der frühen Neuzeit als Gefängnis genutzt wurde, hatte er wohl eine andere Funktion, berichtete Speck, die die Gruppe zur Vorburg geführt hatte: „Wahrscheinlich stand hier zeitweise eine kleine Kelter“, berichtete sie. „Die Quellen und die baugeschichtliche Untersuchung ergeben leider keinen Hinweis auf die genaue Nutzung“.
Das erst vor wenigen Jahren erforschte Kelterhaus in der Kernburg geht vermutlich auf einen Umbau des Kurfürstentum Mainz zurück, das die Osthälfte der Burg im Jahr 1581 übernahm. Die Archäologin erklärte die Grabungsbefunde. „Hier sind noch die Pflasterung mit Abflussrinne, ein rundlicher Sockel, auf dem wohl eine Spindelpresse stand, und ein Backsteinbecken zu sehen. Über einen erhöhten Sockel lief der frisch gepresste Most durch lederne Schläuche in ein Fass im Mainzer Keller.“
Im Jahr 1727, lange nach der Herrschaft der Eppsteiner, wurden die ersten Weinberge in Eppstein in Kornäcker umgewandelt, erzählte Speck weiter. Spätestens Mitte des 19. Jahrhunderts wurden auch die verbliebenen Weinberge anders genutzt, da der Wein wegen mangelnder Ruhephasen oder möglicher Wetterumschwünge sauer schmeckte. Auch Hungersnöte zwangen zum Umdenken.
Die Führung endete im Altangarten, wo Speck die Verwendung natürlicher Zusätze wie Kräuter, Früchte oder Blumen im Wein zur Sprache brachte, eine Steilvorlage für Patrick Klein, bekannt als Anführer der Eppsteiner Rotte. Gemeinsam mit Burgfräulein Nathalie Wolz, die an diesem Nachmittag in die Rolle einer einfachen Frau aus dem Mittelalter schlüpfte, schenkte er einen selbst gemachten Hypocras, einen mittelalterlichen Gewürzwein, zum Probieren aus. Nach dem Rezept aus einem Kloster war der Rotwein mit Kardamom, Anis, Zimt, Ingwer, Gewürznelken, Langpfeffer und Honig angereichert. Er habe heilende Wirkung, zitierte Wolz mittelalterliche Quellen, helfe beim Einschlafen und fördere die Genesung bei Erkältungskrankheiten.mi
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