Die Idee hatte die Archäologin, die in Vockenhausen aufgewachsen ist und heute in Bremthal wohnt, während eines Bildungsurlaubs auf Schloss Vollrads im hessischen Rheingau. Sie schrieb an den Chef der Weinpresse, Ramon Olivella, und fand mit ihm schon zum zweiten Mal einen Termin für diese besondere Weindegustation, zu der neben einigen Gästen aus der Burgstadt auch Besucher aus Sulzbach und Oberursel den Weg nach Eppstein fanden.
„Möchte man etwas über Weinanbau im mittelalterlichen Eppstein erfahren, wundert man sich vermutlich, da Eppstein nicht im Rheingau liegt, sondern im Taunus“, erklärte Speck. Doch der Rheingau erstreckte sich bis in die frühe Neuzeit hinein bis hinter Frankfurt und schloss den vorderen Taunus mit ein. Um an die Weinbautradition des 17. und 18. Jahrhunderts zu erinnern, gestaltete der Burgverein den Südzwinger 2012 als Weinberg. Dieser und die anderen Zwinger rund um die Burg waren schon Mitte bis Ende des 14. Jahrhunderts entstanden, erläuterte die Archäologin.
Straßen- und Flurnamen wie „Wingertsberg“, die „Weingasse“ im Stadtteil Vockenhausen und dem „Alten Wingerten“ am Staufen geben Hinweise auf früheren Weinbau. Doch irgendwann änderte sich das Klima, der Weinbau rentierte sich nicht mehr und wurde aufgegeben.
Die Besucher erfuhren von historischen Rebsorten. Es gab Weißwein und ab dem späten 14. Jahrhundert zunehmend auch Rotwein. Auf Qualität achtete man seit dem 15. Jahrhundert. Allerdings kam der deutsche nicht gegen den französischen Rotwein an. Der vino franconicum, Franken oder „frentsch“ Wein war kräftig und wurde teilweise mit Wasser verdünnt. Der vino hunnicum oder heunische Wein war weißlich und wässrig, von mittlerer bis geringer Qualität. Die Sorte Heunisch war über Jahrhunderte die wichtigste Weißweinsorte in Mitteleuropa. Vermutlich durch eine Kreuzung mit einer anderen Rebsorte entstand daraus die Rieslingtraube. Sie wurde vermutlich schon vor über 600 Jahren im Rheingau angebaut. Sie wächst besonders gut auf den rheinischen Schieferböden und ist nicht sehr frostempfindlich. Laut einer nicht belegten Legende sollen die Zisterzienser Mönche 1136 den Pinot Noir, den Spätburgunder, aus Burgund in den Rheingau gebracht haben. Welche Rebsorten in Eppstein angebaut wurden, ist jedoch nicht bekannt.
Die Altertumsforscherin zählte die drei Erziehungsarten für Reben auf: Kammertbau, Rahmenbau und Pfahlbau. Pfahlbau war der im 13. Jahrhundert nachweislich weit verbreitete Rebenschnitt, auch Reberziehung genannt, und war vermutlich auch in Eppstein üblich, allerdings wurden die Pflanzen wahllos gesetzt. „Die heute bekannten gezeilten Reihen kamen erst im 19. Jahrhundert auf“, sagte Speck und ergänzte, dass der „Bettelbub“, bevor er Gefängnis wurde, um 1430 als Kelterturm fungierte. Außerdem schilderte Speck, wie die Wasserversorgung auf der Burg über Brunnen funktionierte. Aus heutiger Sicht kurios waren die Empfehlungen der Ärzte im Mittelalter, dass Kranke zur Stärkung Wein trinken sollten, der damals allerdings wenig Alkohol enthielt. Wasser galt als verdauungshemmend.
Nach der Führung durften die Zuhörer schließlich selbst vier Weine kosten. Auch im Mittelalter haben sich die Menschen mit dem Geschmack und dem Aussehen des Weins auseinandergesetzt. Sie unterschieden zwischen jungem (einjährigem), mittelaltem (zwei- bis dreijährigem) und altem (vier- bis siebenjährigem) Wein, besonders in Frankreich war die Farbe wichtig. Getrunken wurde er aus Tonbechern und seit dem 17. Jahrhundert aus der bekannten „Römer“-Glasform. In den Tavernen wurden dazu gesalzene Nüsse und Käse gereicht, was den Wein süßer schmecken ließ. Kenner aßen zum Wein in Wasser getränktes Brot und behielten den Wein bei mehrmaligem Probieren lange im Mund. So taten es auch die Anwesenden. Auf die Frage, wie viel Wein man heute auf einem Hektar Rebfläche erntet, antwortete Olivella, dass es auf die Dichte der Bepflanzung und andere Bedingungen ankomme, man jedoch bei sehr gutem Wein von einer bis eineinhalb Flaschen pro Rebstock ausgehen könne.
Mit Unterstützung von Nathalie Wolz und Patrick Klein von der Eppsteiner Rotte servierte Ramon Olivella drei Weine vom Riesling und machte sich damit „auf die Reise und die Suche nach dem Geschmack des Mittelalters“.
Zum Abschluss servierte die Eppsteiner Rotte, quasi als Dessert, einen Hypocras, einen stark gesüßten roten Gewürzwein, der mit Honig, später auch mit Zucker versetzt war. Klein hatte ihn nach einem überlieferten Rezept aus Zimt, Gewürznelken, Langpfeffer, Orangenblüten, Ingwer, Kardamom, Rosenwasser und Wein hergestellt. Er kommentierte seine äußerst köstliche Kreation mit: „Er ist sehr potent, der Wein.“ Ihm wurden zu seiner Zeit medizinische und aphrodisierende Eigenschaften zugeschrieben und als solcher vom Adel genossen. Nur der konnte sich solche Gewürze leisten. ccl
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