Stellplatzsatzung: Überlegungen eines sicher Betroffenen

Dr. Forian Cantzler hat sich die modernisierte Stellplatzsatzung der Stadt angeschaut und Fragen aufgeworfen (s. Bericht in EZ 11/73 vom 16. März 2023 auf Seite 5).

Die Modernisierung der Stellplatzsatzung der Stadt Eppstein (aktuell von 1995) nimmt offensichtlich konkrete Züge an (EZ vom 9.2.2023). Das ist aufgrund der teilweise restriktiven Regelungen zu begrüßen.

Der aktuelle Entwurfstand wirft jedoch diverse Fragen auf, was hier eigentlich erreicht werden soll bzw. kann. Die Stellplatzsatzung kommt sehr oft zur Anwendung, nicht nur bei Neubauten, sondern bei allen genehmigungspflichtigen baulichen Änderungen wie Nutzungsänderungen (z.B. Einfamilienhaus zu Zwei- oder Mehrfamilienhaus oder umgekehrt), Aufstockungen, Einbau von Gauben, Teilung vorhandener Gebäude / Einheiten nach WEG usw.). Insofern dürften viele Eppsteiner – früher oder später – unmittelbar betroffen sein.

Vorhaben dürften dann (sehr) häufig an der Stellplatzsatzung scheitern. Eine Genehmigungsfähigkeit gemäß den Vorgaben des Entwurfes dürfte in vielen Fällen faktisch und / oder wirtschaftlich kaum darstellbar sein.

Kernpunkte des Entwurfes sind (hier nur für Wohnbebauung betrachtet):

1.    Staffelung der Stellplatzanforderung nach Größe der Wohnung; bis 60 qm 1 Stellplatz, über 60 bis 130 qm 2 Stellplätze, über 130 bis 200 qm 3 Stellplätze, über 200 qm 4 Stellplätze; dabei wird auf die Nettogrundfläche abgestellt, also Wohnfläche plus Verkehrsflächen plus Technikflächen.

2.    Garagen und Carports mit Öffnung zum Straßenraum (die Regel) haben bis zum öffentlichen Straßenraum einen Mindestabstand von 5 m einzuhalten (also zurückversetzt).

3.    Garagen / Carports / Stellplätze mit anderer Lage („quer“ oder schräg) sind gesondert zu genehmigen und müssen mindestens 1 m Pflanzstreifen Abstand zur Grenze halten (benötigen also de facto mindestens 4 m Breite, Pflanzstreifen, Parkplatz und etwas Manövrierraum).

4.    Zufahrten dürfen maximal 6 m Breite zur öffentlichen Straße beanspruchen (Grundstücksbreite bis 25 m), 7,5 m bei Grundstücksbreite über 25 m.

5.    Garagen, Carports und Stellplätze müssen ohne Überquerung anderer Stellplätze ungehindert erreichbar sein. Bei Einfamilienhäusern kann mit Zustimmung des Magistrats davon abgewichen werden.

Eine Analyse des Entwurfes wirft Fragen in diversen Richtungen auf.

Zeitgemäß ?

An vielen Stellen wird über Einschränkung / Ersatz des Individualverkehrs nachgedacht. Der Entwurf errichtet im Gegensatz dazu ein Monument für den Individualverkehr – oder eher viele, viele Denkmäler dafür in den (Vor-) Gärten.

Grünes (grüneres) Stadtbild

Ein weniger „betoniertes“, attraktiveres Stadtbild wird ja sogar im Entwurf explizit angestrebt (Pflanzstreifen, Auflockerungen etc.); aber primär besteht die Verpflichtung zur Schaffung von Stellplätzen und ggf. deren Zufahrten (Mindestabstand 5 m für Garagen / Carports) in nicht unerheblichen Mengen.

Für ein Einfamilienhaus mit 3 bis 4 Pflichtplätze (130 qm Fläche einschl. Fluren, Heizungs- und sonstigen Kellerräumen dürften selten unterschritten werden) sind mindestens 60 bis 80 qm „Nicht-Grün“ angesagt, befestigt oder überdacht / überbaut, tendenziell im „Vorgarten“. Bei Zweifamilien- / Mehrfamilienhäusern sieht es noch trister aus.

Angemessenheit und Nebenwirkungen

Sicherlich gibt es Haushalte mit drei und mehr Fahrzeugen. Aus eigener Anschauung dürfte das auch in größeren Wohnungen / Häusern eine klare Minderheit sein, ggf. auch nur vorübergehend (z.B. Kinder im Alter 18+). Mit der Stellplatzpflicht wird das jedoch zum dauerhaften Standard erklärt, absehbarer „Leerstand“ inklusive.

Wenn es dazu führt, die Wohnstraßen vom „ruhenden Verkehr“ zu entlasten, werden die gefahrenen Geschwindigkeiten und der Lärm in Wohnbereichen zunehmen. 

Realisierbarkeit

Die Kombination der Einzelregelungen sowie die Vorschriften der Hessischen Bauordnung (HBO), der Topografie in Eppstein und die Berücksichtigung des Gebäudebestandes wird in vielen Fällen die Realisierung einer Baumaßnahme faktisch oder wirtschaftlich vereiteln.

Hier zwei ausgewählte Beispiele:

a) Errichtung eines Zweifamilienhauses, genauso aber auch Umnutzung eines Einfamilienhauses zu einem Zweifamilienhaus (z.B. wenn die Kinder aus dem Haus sind oder eine eigene Wohnung dem Kinderzimmer vorziehen, zwei Wohnungen). 

(5) verlangt dafür einen „querungsfreien“ Zugang zu den Stellplätzen, Stellplätze / Garagen hintereinander sind nicht möglich / zulässig. Eine Befreiung ist nur bei Einfamilienhäusern erwägbar. 2 Wohnungen im Bereich 60 – 130 qm Fläche erfordern 4 Stellplätze, diese müssen einzeln erreichbar sein, also eigentlich nebeneinander („querungsfrei“). Bei 2,50 m Mindestbreite also 10 m Zufahrtsbreite. Bei Grundstücksbreite bis 25 m sind 6 m Zufahrtsbreite zulässig, über 25 m 7,50 m ……

Bleibt also fast nur noch Tiefgarage (Kosten, Zufahrt ?), Doppelparker (Kosten, Ästhetik, Wartung, aber auch Höhe, s. zweites Beispiel) oder die Umwandlung des Gartens in Stellplätze, mit ggf. enger / steiler Zufahrt bei Hanglagen ….

Im Bestand wird es noch einmal spannender. Und ein Drei-Familienhaus (Mehr-Generationen-Haus) könnte eine Herausforderung sein.

b) Garagen auf der Grenze. Garagen sind von der HBO durchaus privilegiert, sie müssen nicht den normalen Grenzabstand von 3 m einhalten. Dabei bestehen Grenzen (§ 6 Abs. 10 HBO), die mittlere Wandhöhe darf maximal 3 m betragen, die Wandfläche maximal 25 qm. Zur Wandfläche / Höhe zählen auch Abstützungen usw. bei Gefällelagen (soll es in Eppstein geben). Eine „normale“ Garage mit 6 m Länge und 3 m Höhe (Wände und Decken werden ja auch gebraucht) kommt auf 18 qm Ansicht bei topfebener Lage, da ist wenig Platz für Reifen, Fahrräder usw.. Bei einer durchschnittlichen Stützwandhöhe von nur 1 m zum Ausgleich des Geländegefälles talseitig einer Straße sind es bereits 24 qm, die zulässige Höhe von durchschnittlich 3 m ist bereits weit überschritten. Bei 5 m Mindestabstand von der Straße dürfte das in Hanglagen eher die Regel als die Ausnahme sein.

Eine schriftliche Zustimmung des Nachbarn kann hier noch helfen, ist die (meistens) zu erwarten?

Doppelparker mit größerer Bauhöhe sind damit auch aus dem Rennen.

Bei hangseitiger Lage des Grundstücks zur Straße stellt sich meist die Frage der Baugrube; 

5 m Vorfeld und (nur) 6 m Länge der Garage (Außenmaß) erfordern 11 m Bauraum ab Straßenrand, zuzüglich Arbeitsraum. Auf der Strecke wird das Gelände häufig um 3 m und auch deutlich mehr ansteigen, die Baugrube damit schnell mehr als 3,5 m tief (Höhe plus Bodenplatte und Sauberkeitsschicht). Um einen Einsturz zu verhindern, sind Baugruben entsprechend abzuböschen. An der (Seiten-) Grenze geht das nur auf dem Nachbargrundstück. Wenn der Nachbar dort etwa den Mindestabstand hat, geht die Baugrube locker an dessen Fundament und ggf. darüber hinaus. Das könnte die Begeisterung und Bereitschaft zur Zustimmung etwas dämpfen. 

Denkbar wäre auch ein Verbau (richtig teuer), im Minimum ist dann für den Verbau und den erforderlichen Arbeitsraum bereits ein deutlicher Grenzabstand erforderlich. Es dürfte seinen Grund haben, dass Garagen an Eppsteiner Straßen in Hanglage häufig nahe der Straßenkante stehen.

Auf kreative Vorschläge für satzungskonforme Lösungen im Bestand bin ich gespannt, vielleicht fehlt mir aber nur die nötige Fantasie.

Garagen / Stellplätze müssen ja auch nicht in Grenznähe sein, sie können auch (stärker) in das Gebäude integriert sein. Bei den geforderten Mengen / Positionierung der Stellplätze dürfte der Verlust an Wohnflächen und / oder Optionen zur Grundrissgestaltung allerdings meist nicht vernachlässigbar sein.

Konflikt mit anderen Zielen

In der Vergangenheit ist einige Energie in die Aktualisierung vorhandener Bebauungspläne geflossen, Zielrichtung unter anderem Nachverdichtung und Schaffung zusätzlichen Wohnraums, auch kleinerer Einheiten (Aufstockung, Dachgeschoss-Ausbau, Gauben etc.). Damit sollte auch der Ausweis zusätzlicher Flächen für Wohnbebauung vermindert bzw. vermieden werden.

In der Regel sind die Maßnahmen baugenehmigungspflichtig (Faustregel: Änderungen an der Fassade / Silhouette des Gebäudes sowie Nutzungsänderungen wie Einfamilienhaus zu Zwei-Familienhaus). Für eine Genehmigung kommt dann auch die Stellplatzsatzung ins Spiel.

130 qm Fläche + (Netto-Grundfläche, nicht nur Wohnfläche) dürften hier die Regel sein, häufig dürften im Bestand auch 2 Stellplätze / Garagen vorhanden sein. Wie die Vorgaben der Satzung (mind. 3 Stellplätze, 5 m Abstand Carport / Garage zur Straße usw.) eingehalten werden sollen, ohne einen „Totalschaden“ des Vorhabens zu verursachen, erscheint hinreichend unklar.

Dabei bin ich gerne bereit, mich vom Gegenteil überzeugen zu lassen, auch anhand von konkreten Beispielen im Bestand. Wenn es über die neue Stellplatzsatzung zu einer weitgehenden Veränderungssperre im Bestand käme, wären die Ziele der aktualisierten Bebauungspläne kaum erreichbar.

Hinter jeder der einzelnen Anforderungen ist ein sinnvolles und legitimes Ziel erkennbar. In ihrer Kombination – auch mit sonstigen Vorschriften – und der Topografie Eppsteins werden jedoch viele Vorhaben (hier nur Wohnbereich) kaum satzungskonform gestaltbar sein. 

Das legt bei der Analyse des aktuellen Entwurfes der neuen Stellplatzsatzung den Gedanken nahe, dass in einem sehr konservativen Sinne in Eppstein „Alles beim Alten“ bleiben soll, weil kaum eine Veränderung möglich ist. Wenn dies das Ziel sein sollte, wäre es nur aufrichtig, die auch so auszusprechen. Wenn dies nicht das Ziel sein sollte, wären die Prioritäten unter Berücksichtigung der Eppsteiner Gegebenheiten noch einmal zu klären.

Alternativ wären regelmäßig Befreiungen auszusprechen oder Ablöseregelungen zu definieren; beides ist bisher restriktiv gehandhabt worden. Macht eine modernisierte Satzung Sinn, die nur durch häufige Befreiungen praktisch handhabbar wird?

Warum nicht einmal eine Vereinfachung, z.B. die „alte“ Satzung mit Staffelung, 1 Stellplatz bis 60 qm (Wohnfläche?), darüber 2 Stellplätze; sowie eine Befreiungsoption von der maximalen Inanspruchnahme der Straßenbreite bei topografisch anspruchsvollen Lagen?

Damit wäre die Benachteiligung kleinerer Einheiten aufgehoben und eine Flexibilität für die Modernisierung der Stadt im Bestand erreicht. Die weit überwiegende Mehrzahl der Anwendungsfälle wird Baumaßnahmen im Bestand betreffen.     Florian Cantzler (Cantzler, Verwaltungs-GmbH)

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