Das Amt wurde nicht gestürmt, keine erste Hose oder das letzte Hemd erbeutet. Auch die Kreiskasse blieb unberührt.
In falscher Sicherheit gewiegt von dieser Information, machte sich Eppsteins Bürgermeister Alexander Simon auf den Weg nach Niederjosbach und lenkte seine Schritte ins Alte Rathaus. Anders als im vorigen Jahr würde um 17.11 Uhr die Gass’ friedlich im Halbdunkel schlummern, vielleicht einige welke Blätter vorüberwehen. Wer Alexander Simons Meeting mit der Ersten Stadträtin Sabine Bergold, Ortsvorsteherin Andrea Sehr und dem Bremthaler Stadtrat Reiner Morgenstern stören wollte, musste wirklich ein Narr sein.
Als Spielverderber entpuppte sich an diesem Spätnachmittag der Wettergott. Humorloser Nieselregen und Novemberkälte weichten das Konfetti auf und verdünnten den Glühwein. Am Zimmerplatz formierte sich der Narrensturm, um gegen die Witterung anzulachen und bestenfalls die Stadtkasse zu erobern.
Die Midis und Maxis von der Tanzgarde stampften rhythmisch im Takt der Blaskapelle „Schlabach-Gebläse“, die unter der Leitung von Gunhild Lothschütz mit Trompeten, Saxophonen, Cymbeln, Trommel und Pauke aufwartete. Der Gusbacher Carneval Club verwarf jedes Hallo endgültig und sammelte sich mit viel Helau vor dem Alten Rathaus. „Herrje, mich trifft der Schlag“, kommentierte Alexander Simon den Anblick der Narrenschar. Der Bürgermeister wedelte mit dem goldenen Schlüssel und löste förmlich einen Goldrausch aus. Sitzungspräsident Jannis Rösner wäre ein Narr gewesen, ohne diese Beute abzuziehen.
„Gebt uns Kass’ und Schlüssel her“, so verlieh Jannis Rösner seinen närrischen Wünschen Nachdruck. Um einen Gusbacher Fenstersturz zu vermeiden, schloss Alexander Simon das Fenster. Diese Verteidigungstaktik scheiterte, weil Ortsvorsteherin Andrea Sehr sich zu weit aus dem Fenster gelehnt hatte mit ihrer Forderung: „Stellt einen Antrag“.
Unter einigen Unmutsäußerungen der Zuschauenden wie „Buh“ und „Na so was“ schlug sie demonstrativ das Fenster zu. Alexander Simon riss das Fenster wieder auf, um zu verkünden, dass die Stadtkasse leer sei. Aufgrund der bedrohlichen Gesamtlage und wegen der Energiekosten konnte er nicht anders: „Ich mach’ jetzt das Fenster zu!“. Gerade als Reiner Morgenstern die Fensterläden als Barrikade benutzen wollte, ging Andrea Sehr dazwischen und deklarierte: „Wer Fastnacht feiert, ist ab sofort kriminell und wird nach Bremthal verbannt.“ Der Rahmen knirschte, als sie das Fenster zudrückte und sogar verriegelte.
Jannis Rösner ließ sich mit diesem Fensterkampf nicht zum Narren halten. Ihm war bekannt, dass das Rathaus über eine Tür verfügt und an eben jener zeigte er sich interessiert.
Goldener Schlüssel und Kasse erbeutet
„Wir gehen uns jetzt den Schlüssel hole’“. Mit diesem Satz beendete er die nervenaufreibende Belagerung. Einige Damen der Gesangsformation „Knallbonbons“ knackten mit den Fingergelenken und stürmten das Rathaus. Pauken und Trompeten übertönten das Kampfgeschrei in der Amtsstube. Das Publikum wippte fröhlich mit dem Kopf. Flogen in der Ratsstube die Fäuste? Das Publikum nippte am Glühwein. Siegte letzten Endes die Narrengewalt?
Mit einem Strick gefesselt, führten die „Knallbonbons“ die überwältigten Schlüsselverweigerer, Stadtkassenbeschützer und Hemdbewahrer vor das Publikum. Insgeheim plant Alexander Simon schon, das Rathausfenster im nächsten Jahr zuzumauern.
„Jetzt seh’ ich keinen Ausweg mehr“, brachte Sabine Bergold die Situation auf den Punkt. Andrea Sehr händigte dem Sitzungspräsidenten den goldenen Schlüssel aus. „Nur bis Aschermittwoch“, lautete ihre Bedingung. Alexander Simon und Reiner Morgenstern übergaben das letzte Hemd und die Stadtkasse an Jannis Rösner. Dieser blieb skeptisch: „Gab’s nicht irgendwo ein Erbe?“, spielte er auf das wichtigste Thema der jüngsten Stadtverordnetenversammlung an. Das sei narrensicher im Rathaus gebunkert, konterte der Bürgermeister mit diplomatischem Geschick.
Die „Knallbonbons“ sangen „In Gusbach steht das Glück vor der Tür“. Die Erste Vorsitzende des GCC, Karin Dostal, wandte sich mit dankenden Worten an den Verein und lächelte wegen der Kinder, die erfreut in die Stadtkasse voller Süßigkeiten griffen. Von Ferne sah es aus, als wogte der Dorfplatz voller riesiger bunter Blüten. Dabei waren es farbige Schirme. Eine Mutter tanzte mit ihrem Kind durch die Pfützen. Von den Narrenkappen tropfte der Regen und am Glühweinstand dampfte die Wärme. Lachen wird Licht, Lachen ist Sonne und kein Regen kann das verhindern. So hätte es sich der Fastnachter, GCC-Vereinsgründer und langjährige Sitzungspräsident Heinz Seebold vermutlich gewünscht, der im September verstorben ist.
Die Kampagne des GCC Niederjosbach geht am Samstag, 27. Januar, um 20.11 Uhr mit der Fastnachtsparty „Schoppe-Gucke-Danse“ im Vereinssaal Niederjosbach weiter, wo auch am 4. Februar um 15.11 Uhr die Kinderfastnacht stattfindet und man sich am 11. Februar um 18.11 Uhr zur Prunksitzung trifft. Masken, Kostüme und viel Helau gibt es dann am 13. Februar um 14.11 Uhr beim Fastnachtsumzug. Anschließend verlagert sich das lustige Treiben wieder in den Vereinssaal Niederjosbach.uki
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