Verkehr ist ein Knackpunkt

Der Infoabend in der ehemaligen Sparkassenakademie war gut besucht. Foto: bpa

Im Foyer der Sparkassenakademie drängten sich die Besucher. Die neue Eigentümerin, die GWH Wohnungsgesellschaft, hatte zur Infoversammlung eingeladen, dem Auftakt für die von der Stadt geforderte Bürgerbeteiligung.

Aber schon bei diesem ersten Treffen wurde deutlich, dass die Interessen zwischen Anwohnern und dem Investor weit auseinander klaffen.

GWH-Geschäftsführer Stefan Bürger machte keinen Hehl daraus: Schwerpunkt seines Unternehmens ist der Neubau und die Verwaltung von Wohnungen und Wohnquartieren. „Wir entwickeln Grundstücke, die am Ende ihrer bisherigen Nutzung angelangt sind“, sagte Bürger. Mieter für eine neue Bildungsstätte wolle und könne die GWH nicht finden, lautete Bürgers klare Botschaft und auch: „Wenn Sie keine Wohnbebauung wollen, sind wir nicht der richtige Entwickler.“

Genau das stellten mehrere Eppsteiner in der Versammlung in Frage. „Mit dem Verkauf an die GWH wurde eine Vorentscheidung getroffen“, sprach ein Anwohner aus, was viele seiner Nachbarn denken.

Auf einer Pinwand hatte Moderatorin Kristina Oldenburg Fragen der Besucher aufgegriffen, unter anderen, ob denn bei Landrat Michael Cyriax wegen seiner Funktion im Aufsichtsrat der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) ein Interessenkonflikt vorliegen könne. Die GWH gehört, ebenso wie der vorige Eigentümer, der Sparkassen- und Giroverband, zu 100 Prozent der Helaba, das Areal bleibt also gewissermaßen in der Familie. Nicht einmal der Rückbau, also Abriss und Renaturierung, kann eingefordert werden. Das Gelände sei in Privatbesitz, erläuterte Stadtplaner Torsten Becker, und müsse zuvor von der Stadt zurück gekauft werden – abgesehen von den Abrisskosten in Höhe von mindestens 2,5 Millionen Euro.

Dabei hatte die damalige selbstständige Gemeinde Vockenhausen sich ganz bewusst gegen eine Wohnbebauung ausgesprochen und per Anzeige nach einem Investor mit einer neuen Idee gesucht, erinnert sich Gerd Kürschner, Ende der 1970er Jahre Gemeindevertreter in Vockenhausen: „Wir haben uns damals gegen eine Wohnbebauung entschieden, weil der Hang unterhalb des Akademiegeländes steil und schwer zu erschließen ist.“ An der Steigung und den Engstellen auf der Bergstraße habe sich seitdem nichts geändert, sagte der Vockenhäuser, „nur der Kraftfahrzeugverkehr hat exorbitant zugenommen.“

Der Verkehr sei einer der Knackpunkte, bestätigte auch Bürgermeister Alexander Simon. In einer Modellrechnung geht die GWH von rund 320 Wohneinheiten aus und im Schnitt 2,2 Bewohner. „Das wären 700 Menschen und täglich über 2000 zusätzliche Privatfahrten.

Wie wollen sie das alles über die Bergstraße führen“, fragte ein Anwohner und wies darauf hin, dass dort täglich hunderte Schulkinder unterwegs seien.

Kontroverse Diskussion um die Zukunft der Akademie

Auch Stadtplaner Becker räumte ein, der zusätzliche Verkehr sei eine Herausforderung angesichts der steilen und schmalen Zufahrt. Sein Lösungsansatz, mehr öffentliche Verkehrsmittel, autonom gesteuert als Zukunftsperspektive, wurde mit Gelächter aufgenommen. Moderatorin Oldenburg fasste zusammen: „Das Thema Verkehrsentwicklung scheint essenziell für Sie alle zu sein“, und versprach: „Das nehmen wir für die Standortplanung auf.“

Ein Anwohner wollte wissen, warum die GWH als Wohnbaugesellschaft spekulativ ein Areal gekauft habe, dass laut Bebauungsplan gar nicht für Wohnbebauung vorgesehen sei. „Auch im Laufe des Lebens einer Immobilie können sich Dinge ändern“, lautete Bürgers Antwort. Die Aufgabe der GWH sei es, für Immobilien, die keine Zukunft mehr hätten, neue Perspektiven zu schaffen. Wenn die Nutzung nicht geändert werde, bleibe nur die Wahl, das Haus verfallen zu lassen – und vielleicht käme dann in einigen Jahren ein anderer Investor, so Bürger. Außer den Gegnern in der Nachbarschaft der Akademie gebe es vermutlich auch Eppsteiner, die gern dort oben wohnen würden, vermutete er.

Junge Familien könne er sich dort oben vorstellen, aber auch neue Wohnformen für Senioren gebe es in Eppstein nicht ausreichend, griff er eine Frage an der Pinwand nach dem Bedarf an neuen Wohnungen auf.

Die Nutzung als Bildungsstätte sei vorab untersucht worden, führte Torsten Becker aus. Der Sparkassenverband habe kein Interesse mehr, eine Bildungseinrichtung zu betreiben, Interessenten etwa für den Umbau zu einem Internat gebe es nicht, den Bau einer neuen Oberstufe müsse der Kreis beschließen. Der hat bekanntermaßen kein Interesse an einer dezentral gelegenen Oberstufe. „Wir sehen keinen Betreiber, der so ein spezielles Gebäude übernehmen würde“, fasste Becker zusammen.

Auch eine Nutzung als Hotel setze voraus, dass ein Investor gefunden wird. Den Nutzen für Eppstein sieht der Planer eher gering. Ein neues Wohnquartier hingegen könne sich gut einfügen. Der Planer zeichnete ein mögliches Szenario mit sozialen Angeboten, Pflegeeinrichtungen, Café, Büros für Freiberufler und mitten drin, der jetzige Innenhof als Grüne Lunge mit freiem Blick über das Tal. Er nannte die Akademie „ein sehr besonderes, tolles Gebäude“, führte aber die niedrigen Räume, die nach heutigen Maßstäben zu kleinen Schlafzimmer und die hohen Betriebskosten als Manko für eine anderweitige Nutzung an.

„Warum geben Sie so früh auf, nach einem Bildungsträger zu suchen?“, fragte ein Anwohner verärgert. Und auch der Eppsteiner Thomas Uber forderte mehr Engagement für den Erhalt „dieser ganz besonderen Immobilie“. Dazu brauche die Stadt einen Partner, der besondere Stätten entwickeln könne, zum Beispiel zu einer fachspezifischen Bildungseinrichtung, etwa für hochbegabte junge Musiker, oder zu einer mathematisch-technisch orientierten Akademie. Auch der Vorschlag für eine Pflegeschule samt Pflegeeinrichtung fiel bereits im Laufe der Diskussion.

Eine ehemalige Mitarbeiterin der Akademie bekräftigte: „Für die vielen Schüler war das eine ganz besondere, wertvolle Lernumgebung, die den jungen Menschen heute fehlt.“ Gerade die großzügigen Gänge mit Sitzgelegenheiten seien wichtige Begegnungsstätten gewesen und wurden gern von Lerngruppen genutzt, entkräftete sie das Argument der Planer, die Verkehrsflächen wären viel zu groß. Gerade wegen der großen Freiflächen im und außerhalb des Gebäudes hätten sich die Schüler trotz der verhältnismäßig kleinen Appartements sehr wohl gefühlt. Seit der Schließung der Akademie müssten die Sparkassen Frankfurter Hotels abklappern, um Unterkünfte für Schulungsteilnehmer zu finden. Ein Redner bekräftigte, auch junge Menschen legten Wert darauf, dass Bildung nicht nur digital, sondern auch im persönlichen Gespräch stattfinde.

Bei den Vorgesprächen mit der GWH spielten diese Vorschläge jedoch keine Rolle. Für Geschäftsführer Bürger steht fest: „Sie finden keinen Betreiber mehr.“

Anwohner Erich Dambacher monierte: „Ihr Ansatz, ausschließlich Wohnungen zu entwickeln, ist extrem ambitionslos“, und wollte wissen, wie die GWH mit den vier Wohnhäusern verfahren wolle, von denen drei vermietet seien. Deren Mieter wünschten sich Sicherheit für die Zukunft ihrer Häuser und Gewissheit, dass sie darin wohnen bleiben dürfen. Die vorhandenen Wohnhäuser ließen sich im Falle einer Wohnbebauung problemlos integrieren, versicherte Bürger, und erhielt dafür an diesem Abend zumindest einmal ein Dankeschön.

Die Veranstaltung ist als Startschuss für die von der Stadt geforderte Bürgerbeteiligung gedacht. Um Ostern will die Stadt eine Umfrage bei der Eppsteiner Bevölkerung starten. Im Laufe des Sommers ist eine Bürgerversammlung geplant.

Der Bürgermeister betonte, die gesamte Stadt sei aufgerufen, sich an der Diskussion zu beteiligen und versicherte: „Ohne die Zustimmung der Stadt kann dort oben nichts Neues entstehen.“ bpa

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