Stellplatzsatzung – Ein Denkmal für den Individualverkehr?

Sieht so auch in Eppstein die Zukunft aus? Beton oder Pflaster anstelle grüner Vorgärten oder der viel geschmähten Schotterflächen? Auf dem ehemaligen Vorgarten am Wohnhaus in der Schloßborner Weiherstraße parken jetzt bis zu drei Autos. Sogar die Bewohner finden dort an lauen Sommerabenden noch ein Plätzchen an ihrem Bistrotisch…Foto: Julia Palmert

Eppstein ist gerade dabei, seine Stellplatzordnung zu überarbeiten. Grundsätzlich gilt, dass künftig bei Bauvorhaben mehr Parkplätze gebaut und mehr Fahrradabstellplätze eingerichtet werden müssen.

In einigen Gebieten in S-Bahnnähe darf ein Pkw-Stellplatz durch vier Radstellplätze ersetzt werden. Doch das sind Ausnahmen. Grundsätzlich will die Stadt mit der neuen Stellplatzregelung ihre alte Satzung von 1995 modernisieren. Dafür sollen Hauseigentümer zusätzliche Parkmöglichkeiten auf ihren Grundstücken schaffen. Wie berichtet, wird die Zahl der Stellplätze an die Größe der Wohnungen gekoppelt. Statt wie bisher pauschal 1,5 Stellplätze pro Wohneinheit, müssen künftig je nach Größe zwischen einem und vier Parkplätze gebaut werden, sollte die Satzung unverändert beschlossen werden. Der Entwurf für die abschließende Beratung in den Gremien zeigt, dass auch die Stadtverordnetenfraktionen noch Änderungen vornehmen möchten.

Die Satzung gilt für Neubauten, aber auch für alle genehmigungspflichtigen Ausbau- oder Erweiterungsvorhaben, Teilung vorhandener Gebäude oder Schaffung zusätzlicher Wohneinheiten in einem Haus. Ausnahmen sind laut Satzung lediglich in der Eppsteiner Altstadt mit ihren oft sehr kleinen Grundstücken möglich, falls dort Gebäude saniert werden.

Auch bei Mehrfamilienhäusern müssen, je nach Größe der Wohnung, ein bis vier Parkplätze pro Wohnung vorgehalten werden. In der Regel treffen Hausbesitzer die Entscheidungen, ihr Haus zu vergrößern, nur ein, maximal zweimal im Leben, sind also eher selten betroffen. Florian Cantzler, Inhaber einer Wohnungsverwaltung in Eppstein, der in den vergangenen Jahren einige Bauprojekte in Eppstein umgesetzt hat, befürchtet jedoch, dass künftig viele Eppsteiner, die umbauen wollen, betroffen sind. Er hat sich den Satzungsentwurf angeschaut und einige Bedenken formuliert.

Er stellt grundsätzlich die Frage, was die Stadt mit der neuen Satzung erreichen will und ob sie überhaupt noch zeitgemäß ist. „Der Entwurf errichtet im Gegensatz zur öffentlichen Diskussion über den Ersatz des Individualverkehrs ein Monument für den Individualverkehr – oder eher viele Denkmäler dafür in den Vorgärten“, sagt Cantzler mit Blick auf die Vorschriften zur Umsetzung der neuen Stellplatzordnung. Seiner Erfahrung zufolge werde die Satzung oft angewendet. Noch mehr Erweiterungsvorhaben an Bestandsgebäuden als bisher dürften, so Cantzler, an der neuen Stellplatzsatzung scheitern, weil für die geforderten Stellplätze nicht ausreichend Platz und für die Ablöse nicht genug Geld vorhanden sei.

In einem Leserbrief (siehe Online-Ausgabe) zählt er die Kernpunkte des Entwurfs auf: Neben der Staffelung der Parkplatzzahl mit bis zu vier Stellplätzen pro Wohnung, hält er auch die generelle Forderung des Zurückversetzens von Carports und Garagen um mindestens fünf Meter vom Straßenrand und einen ein Meter breiten Pflanzstreifen zum Nachbargrundstück für problematisch. Denn allein durch den Raum vor den Carports entstünde eine Betonwüste. Dabei streben die neuen Bebauungspläne explizit ein weniger betoniertes Stadtbild an mit Pflanzstreifen und Auflockerungen. Aber de facto bestehe die Verpflichtung zur Schaffung von Stellplätzen und Zufahrten.

Cantzler rechnet vor: Für ein Einfamilienhaus mit drei bis vier Pflichtplätzen seien mindestens 60 bis 80 Quadratmeter gebundene Decke oder Überdachung notwendig. Bei Mehrfamilienhäusern sehe es noch trister aus. Mit der neuen Stellplatzsatzung werde vor allem für große Häuser der Ausnahmezustand zur Regel gemacht, nämlich die Jahre, in denen die erwachsenen Kinder motorisiert sind, aber noch zu Hause wohnen. „Das sind vielleicht fünf von insgesamt 35 bis 40 Jahren, die eine Familie ein Haus bewohnt“, gibt Cantzler zu bedenken, der selbst seit vielen Jahren Häuser vermietet. Wenn dann statt des Kinderzimmers eine zweite Wohnung gebaut würde, müsste vermutlich mindestens ein weiterer Parkplatz angelegt werden.

Außerdem fordert die Satzung, dass jeder Parkplatz ohne Überquerung erreichbar sein muss, also nicht hintereinander angeordnet werden darf, wie es in engen Ortslagen durchaus üblich ist. Bei Einfamilienhäusern kann der Magistrat einer Ausnahme zustimmen, allerdings nicht, wenn die Bewohner einer ehemaligen Hofreite mit Wohnungen in Vorderhaus und Scheune dies selbst regeln wollen. Eine Doppelgarage, in der hintereinander geparkt wird, wie sie Bauherr Gerhard Ernst für sein Zweifamilienhaus an der Königsteiner Straße in Ehlhalten noch genehmigt bekam, würde es so vermutlich mit der neuen Satzung nicht mehr geben. Auch die Abstandsfläche zum Bürgersteig vor der Garage bekäme er wohl nicht als Parkplatz ausgewiesen, obwohl er die Garage einer Wohnung zuordnet und zwei Parkplätze an der Feldbergstraße der anderen Wohnung.

Cantzler geht davon aus, dass künftig bei Neubauten Tiefgaragen die Kosten in die Höhe treiben könnten, eventuell Doppelparker gebaut werden oder der Garten in Stellplätze umgewandelt wird. Beim Bauen im Bestand werde es noch spannender. So könne der Umbau zu einem Mehrgenerationen-Haus mit der neuen Satzung künftig zur echten Herausforderung werden. Denn in den engen Ortslagen, aber auch an den Eppsteiner Hängen gibt es wenig Spielraum für zusätzliche Parkflächen.

Er sei gespannt auf kreative Vorschläge für mit der neuen Satzung konforme Lösungen im Bestand. Möglicherweise sei das Integrieren von Garagen und Stellplätzen in die Gebäude eine Lösung. Allerdings dürfte dann der Verlust an Wohnfläche nicht gering sein.

Einen grundsätzlichen Konflikt befürchtet Cantzler deshalb zwischen der neuen Stellplatzsatzung und den Bebauungsplänen für bestehende Wohngebiete, die die Stadt in den vergangenen Jahren mit einigem Aufwand aktualisiert hat. Erklärtes Ziel dieser Neufassungen: Nachverdichtung und Schaffung zusätzlichen Wohnraums durch Aufstocken, Dachgeschoss-Ausbau, Gauben und Anbauten in vorhandenen Wohngebieten.

Das soll, so die Stadt, Vorrang vor neuen Baugebieten am Ortsrand haben, dürfte aber mit der neuen Stellplatzsatzung oft gar nicht mehr umzusetzen sein: „Mindestens drei Stellplätze sowie fünf Meter Abstand für einen neuen Carport von der Straße. „Wie sollen diese Vorgaben des Satzungsentwurfs eingehalten werden, ohne einen Totalschaden des Vorhabens zu verursachen?“, fragt Cantzler.

Hinter jeder einzelnen Anforderung sei ein sinnvolles und legitimes Ziel zu erkennen, erkennt der Bauunternehmer die Bemühungen der Verwaltung an. In der Kombination mit weiteren Bauvorschriften und der Topographie Eppsteins seien viele Vorhaben allein im Wohnungsbau kaum satzungskonform gestaltbar. Die Auswirkungen auf Gewerbebauten seien dabei noch gar nicht berücksichtigt. Wenn sich am Ende nicht Bebauungspläne und Stellplatzsatzung gegenseitig aufheben sollen, müssten Verwaltung und Politik noch einmal dringend die Prioritäten klären und dabei die Eppsteiner Gegebenheiten berücksichtigen.

Eine andere Möglichkeit wäre, regelmäßig Befreiungen auszusprechen oder Ablöseregelungen anzuwenden. Beides wurde bisher eher restriktiv gehandhabt, spricht Cantzler aus Erfahrung – und es mache auch nicht wirklich Sinn, eine neue Satzung immer wieder auszuhebeln. Statt der komplizierten Neuregelung solle die Stadt die alte Satzung beibehalten und um eine Staffelung ergänzen, so Cantzler: Bis 60 Quadratmeter Wohnraum muss ein Stellplatz geschaffen werden und zwei Stellplätze für alles, was größer ist. bpa

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