Im Frühjahr erbat sich Sabine Bergold auf die Frage der Eppsteiner Zeitung, ob sie sich zur Wiederwahl stellen wolle, eine Bedenkzeit: Im Laufe des Sommers werde sie darüber entscheiden, gemeinsam mit ihrer Familie. Jetzt teilte Bergold mit, dass sie nach zwölf Jahren als Wahlbeamtin der Stadt Eppstein nicht für eine weitere Amtszeit von sechs Jahren kandidieren will. Die Wahlperiode endet am 19. Februar.
Bergold leitet im Rathaus die Kämmerei, ist Sozial-, Personal- und Ordnungsdezernentin und für die Kultur zuständig. Die nächsten Monate werden sportlich. Schon im Oktober will sie den Haushalt für 2026 vorlegen.
Sabine Bergold blickt zurück: „Eigentlich war immer Krise!“
Bergolds erklärtes Ziel: Bis zu ihrem Abschied am 19. Februar soll der Haushaltsplan für 2026 beschlossen sein. Sie wolle keine halbfertige Arbeit hinterlassen und schon gar kein Chaos. „Außerdem müssen wir endlich wieder in einen normalen Haushalts-Rhythmus gelangen“, sagt sie mit Blick auf den Haushalt 2025, der immer noch nicht genehmigt ist.
Mit der Kommunalaufsicht des Kreises und dem Regierungspräsidium sei schon abgesprochen, dass für das Haushaltsjahr 2025 kein Beschluss herbeigeführt werden müsse, sondern am Ende ein Jahresabschluss vorgelegt werde. Diese Zahlen fließen dann, wie üblich, in den nächsten Haushaltsplan ein.
Die finanzielle Situation der Stadt sei jedenfalls nicht der Grund, warum sie nächstes Jahr in den Ruhestand gehe, versichert die 61-Jährige. Denn die Eppsteiner Haushaltszahlen waren schon zu Beginn ihrer Amtszeit 2014 mies. Schon ihr Vorgänger, Kämmerer Peter Reus verhängte unter den Auswirkungen der damaligen Weltwirtschaftskrise 2009 eine Haushaltssperre. Bergold selbst erinnert an die enorme Steuerrückforderung in Millionenhöhe im November 2013. Das damalige Haushaltsloch war mit knapp 6 Millionen Euro noch größer als das aktuelle. „Eigentlich war immer Krise“, fasst sie die vergangenen zwölf Jahre zusammen und zählt die erste Flüchtlingswelle 2015 und die Corona-Pandemie 2020 auf. Dann begann 2023 der Ukraine-Krieg und mit ihm kam die Energiekrise und in deren Folge die Wirtschaftskrise. Sie alle wirkten sich auf die städtischen Finanzen aus.
Dennoch habe sie Ihre Entscheidung, 2005 nach Eppstein zu gehen, nie bereut, sagt die Diplom-Verwaltungswirtin. Sie fing in der Finanzabteilung an, die doppische Haushaltsführung aufzubauen und die Grundlagen für das auf einer doppelten Buchführung bestehende Haushaltswesen festzulegen.
Die Wahl zur Ersten Stadträtin 2014 als Nachfolgerin von Peter Reus, ihrem langjährigen Mentor, sei die Krönung gewesen einer langen Tätigkeit im öffentlichen Dienst, sagt sie – Im Frühjahr feierte sie ihr 40. Dienstjubiläum. Dennoch wollte sie 2015 Bürgermeisterin in Kelkheim werden, trat dafür auch der CDU bei, unterlag aber bekanntlich dem späteren Kelkheimer Stadtoberhaupt Albrecht Kündiger. Bei ihrer Wiederwahl 2019 als Erste Stadträtin in Eppstein hat ihr das politische Bekenntnis offensichtlich nicht geschadet. Bis auf fünf stimmten alle anderen Stadtverordneten damals in geheimer Wahl für Bergold.
In der Politik gehe es ja nicht um Freundschaften, sagt sie, da habe sie keine Illusionen, und im Haushalt gehe es vor allem um nüchterne Zahlen. Für politische Entscheidungen und Weichenstellung seien andere zuständig.
Glücklich sei sie über die vielen kleinen Erfolge, etwa in der Kinderbetreuung. Von den wechselnden Krisen blieben ihr die vielen Begegnungen und Erlebnisse in Erinnerung. So habe sie ihre heutige Assistentin, Nataliia Katsamperoglou, kennengelernt, weil diese ehrenamtlich als Übersetzerin bei Gesprächen mit ukrainischen Flüchtlingen half. Auch der Asylkreis sei 2015 aus einer Krise heraus entstanden und trage enorm dazu bei, Flüchtlinge in Eppstein zu integrieren. Überhaupt zeige sich besonders in Krisen das sensationelle ehrenamtliche Engagement der Eppsteiner. „Wenn Unterstützung benötigt wird, ist immer jemand da“, hat sie festgestellt.
Leicht werde ihr der Abschied nicht fallen, sagt Bergold, weist aber darauf hin, dass ihr Arbeitstag eigentlich nie um 17 Uhr zu Ende sei. Als Teilzeitjob sei die Stelle als Erste Stadträtin schon gar nicht denkbar. Sie habe auch recherchiert, ob eine auf drei Jahre verkürzte dritte Amtszeit möglich ist. Ohne Erfolg. Im Frühjahr komme das vierte Enkelkind zur Welt. Auch das sei ein Grund, warum sie nicht noch einmal sechs Jahre in diesem Tempo weiterarbeiten wolle.
Nun freue sie sich auf mehr Zeit für sich, bei Yoga, Schwimmengehen oder Spaziergängen mit Ehemann Jens. Dem Zonta Club am Taunus, den sie vor fünf Jahren mitgegründet hat, will sie künftig auch mehr Zeit widmen.
Für Bürgermeister Alexander Simon beginnt hingegen eine Zeit der Ungewissheit: Am 11. September entscheidet die Stadtverordnetenversammlung über die Einrichtung eines Wahlvorbereitungsausschusses – oder diskutiert, wie schon vor zwölf Jahren, erneut darüber, ob Eppstein überhaupt zwei hauptamtliche Wahlbeamte braucht. Viele Kommunen kommen mit nur einem aus.
Er habe großen Respekt vor Bergolds Entscheidung und rechne ihr hoch an, dass sie so lange und immer mit vollem Einsatz dabei sei, sagte Simon und lobte die gute Zusammenarbeit. Eine Abschaffung der Stelle aus Kostengründen kommt aus Simons Sicht nicht in Frage. Darin ist er sich mit der Kämmerin einig. Eppsteins Verwaltung sei gar nicht groß genug, dass andere Mitarbeiter Bergolds Aufgaben einfach so übernehmen könnten. Die Kämmerin erledige viel reguläre Verwaltungsarbeit und habe darüber hinaus „einen ganz anderen Überblick“ als ihre Mitarbeiter und kenne jede einzelne Vorlage im Haushalt, so Simon.
Folgt man seiner Argumentation, muss entweder wie bisher von der Stadtverordnetenversammlung ein hauptamtlicher Kämmerer gewählt werden oder, falls die Stadtverordneten für eine Abschaffung votieren, eine weitere Stelle in der Verwaltung für einen leitenden Beamten mit Schwerpunkt Kämmerei geschaffen werden. Sofern sich jemand findet.
Simon ist sich durchaus im Klaren darüber, dass Bergolds Job „aktuell nicht auf der Hitliste der offenen Stellen in Deutschland steht“, sagt er etwas flapsig. Hinzu kommt, dass die Zeit für die Suche nach einem Bewerber oder einer Bewerberin denkbar knapp ist und mitten in den Wahlkampf für die Kommunalwahl fällt.
In den vergangenen Jahrzehnten fuhren die CDU und ihre jeweiligen Kooperationspartner gut damit, parteiunabhängige Kandidaten oder Kandidatinnen vorzuschlagen und den Schwerpunkt auf fachliche Kompetenz zu setzen. Wählt die aktuelle Mehrheit aus CDU und Grünen einen neuen Ersten Stadtrat, muss dieser nach der Kommunalwahl möglicherweise mit einer ganz anderen Zusammensetzung der Stadtverordnetenversammlung zusammenarbeiten.bpa
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