Beim Thema Parken hat die Polizei immer „die Torte im Gesicht“

Jahrzehntelang parkten Anwohner der Schützenstraße halbseitig auf dem schmalen Bürgersteig, bis bei einer Kontrolle festgestellt wurde, dass die restliche Fahrbahn nicht breit genug ist für Rettungswagen oder Müllautos. Denn die dürfen laut Gesetz nicht auf dem gegenüber liegenden Bürgersteig fahren, wenn die Fahrbahn eigentlich breit genug ist. Denn ein Bürgersteig ist nun mal ein Bürgersteig, selbst wenn er in der Praxis von Fußgängern nicht genutzt wird, weil er zu schmal ist. Die Folge: Wer jetzt in der Schützenstraße parkt, muss mit einem Knöllchen rechnen.Foto: Beate Schuchard-Palmert

Parkplatzmangel und Falschparker sind Dauerthemen in Eppstein. Die einen wünschen sich mehr Kontrollen im eigenen Stadtteil, die anderen ärgern sich über zu viel Gängelung durch die städtischen Ordnungshüter.

Egal wie sie handelt, „die Ordnungspolizei hat immer die Torte im Gesicht“, fasst Erste Stadträtin Sabine Bergold in knappen Worten das Verhältnis zwischen Bürgerschaft und Ordnungsamt zusammen.

Fakt sei, dass bei der Ordnungspolizei, von eigentlich vier Stellen derzeit nur zwei besetzt sind und eine Stelle demnächst wieder besetzt wird. Allerdings komme es im digitalen Zeitalter viel häufiger vor als früher, dass Eppsteins Einwohner selbst aktiv werden: Per E-Mail oder soziale Medien werden falsch parkende Fahrzeuge fotografiert oder mit Datum und genauer Ortsangabe direkt beim Ordnungsamt gemeldet – so gut wie nie anonym. „Dann müssen wir aktiv werden und kontrollieren“, sagt Bergold. Wie hoch der Anteil der dadurch fälligen Verfahren sind, lasse sich nicht beziffern, sagt Ordnungsamtschef Stephan Euler, aber die Zahl habe deutlich zugenommen.

Manchmal seien es Nachbarn, die sich über das ständige Missachten von Parkregeln ärgern. Auch viele Neubürger haben kein Verständnis für liebgewordene Gewohnheitsrechte. „Stellen Sie sich eine junge Mutter mit Kinderwagen vor, die ständig auf die Fahrbahn ausweichen muss, weil der Gehweg aus Gewohnheit zugeparkt ist“, führt Bergold ein Beispiel an. Es sei nicht so, dass das Ordnungsamt losfahre, „um die Eppsteiner zu ärgern“, versichert Bergold und erinnert daran, dass vor Jahren mehr Kontrollen gefordert wurden. Die Ordnungspolizei habe von den städtischen Gremien den ausdrücklichen Auftrag, regelmäßig den ruhenden Verkehr zu kontrollieren, um verkehrswidriges Parken zu ahnden. In den meist engen Straßen in Ortskernen und Wohnstraßen solle so verhindert werden, dass im Notfall Rettungswagen oder Feuerwehr behindert werden oder die Müllabfuhr ihre Arbeit verrichten kann.

Jüngst führte ein solcher Konflikt zwischen Nachbarn dazu, dass in der Schützenstraße in Bremthal, einer kleinen Seitenstraße, verstärkt kontrolliert und verkehrswidrig auf dem Gehweg abgestellte Fahrzeuge notiert wurden. Die Beschwerde der betroffenen Parksünder kam prompt: Es gebe dort kein Halteverbot und seit Jahrzehnten werde dort halbseitig geparkt. Die Stadt wies darauf hin, dass auf dem Bürgersteig nicht geparkt werden dürfe und das Parken auf der Straße ebenfalls nicht erlaubt sei, weil dann die Straße nicht mehr die Mindestbreite von 3,05 Metern aufweise. Und das Ausweichen von Müllabfuhr oder Rettungswagen auf den gegenüberliegenden Bürgersteig sei ebenfalls nicht gesetzeskonform.

Unbürokratische Lösung gibt es nicht

Die Betroffenen in der Schützenstraße wollten das so nicht akzeptieren. Es müsse doch eine unbürokratische Lösung für ihre kleine Anwohnerstraße mit gerade mal acht Hausnummern geben, schreiben sie in einem Brief, der der Redaktion vorliegt. Sie suchten nach ähnlichen Straßen und maßen kurzerhand die Fahrbahnbreite in der Neugasse nach, die ihnen auch sehr schmal vorkam. Dort zeichnete das Ordnungsamt vor einiger Zeit Parkbuchten ein, die das Schrammbord, also einen schmalen Bürgersteig, mit einbezieht.

Tatsächlich blieben bei genauem Messen an der schmalsten Stelle der Fahrbahn nur etwas mehr als 2,90 Meter für die Durchfahrt.

Das Ordnungsamt kontrollierte selbst und stellte fest, dass die eigenen Mitarbeiter sich beim Einzeichnen der Parkbuchten vermessen hatten und ließ die Markierungen erneuern.

Das war jedoch nicht der einzige Lapsus, der dem Ordnungsamt in jüngster Zeit passiert ist: Ausgerechnet am Sonntag des Bremthaler Höfefests waren die Ordnungshüter vormittags rund um die Dorfmitte in Bremthal im Einsatz und verteilten etliche Strafzettel – für einfache Vergehen bis hin zu Verkehrsbehinderungen – sehr zum Unmut der Veranstalter und der Aussteller, die zu dieser Zeit beim Aufbau waren und teilweise zum Ausladen auf der Straße standen. Für sie sind 55 Euro, die etwa beim Parken auf Gehwegen fällig werden, fast schon existenzbedrohend. Denn groß sind die Einnahmen bei solchen Straßenfesten in der Regel nicht. Sogar 70 Euro plus ein Punkt in Flensburg werden fällig, wenn Rettungswege behindert werden.

Parkkontrolle beim Höfefest

Wie viele Strafzettel die Ordnungshüter an diesem Vormittag verteilten, könne sie nicht sagen, aber sie habe alle Verwarnungen überprüft und sei der Ansicht, dass die Ordnungshüter im Zweifel die mildere Strafe verhängt hätten, so Bergold. Zwei Anzeigen kämen übrigens von Anwohnern. Da müsse die Stadt aktiv werden, sagt Bergold, die zu dem Zeitpunkt nicht im Dienst war.

Sie räumt ein, dass Stadt und Veranstalter eigentlich vor dem Fest miteinander hätten sprechen müssen. Dieses Versäumnis soll nicht wieder vorkommen. Sie hat alle Verantwortlichen zum Gespräch gebeten und vereinbart, dass künftig bei solchen großen Veranstaltungen, vorab über Parkmöglichkeiten und Hinweise gesprochen werde.

Dennoch bleibt Bergold dabei: Die bereits verhängten Verwarnungen bleiben bestehen, Einsprüche würden sorgfältig geprüft.

Auch für die Bewohner der Schützenstraße gibt es keine einfache Lösung: „Wir haben dort reguläre Bürgersteige, die müssen laut Gesetz frei bleiben“, sagt Bergold. Auch die Frage, ob ein rund 80 Zentimeter breiter Bürgersteig, der durch Straßenlaternen und Schilder zusätzlich eingeengt ist, auch tatsächlich von Fußgängern genutzt wird, sei unerheblich.

Laut Gesetz gibt es keinen Unterschied zwischen einer viel befahrenen Hauptstraße und einer kleinen Nebenstraße oder dem Bürgersteig, der gerade mal den Sicherheitsabstand von 50 Zentimetern erfüllt und einem breiten Boulevard. In allen Fällen gelte, so Bergold, die sogenannte Benutzungspflicht: Fußgängerinnen und Fußgänger müssen grundsätzlich vorhandene Bürgersteige benutzen. Deshalb dürfen diese nicht befahren werden und müssen frei bleiben. Die Stadt könne also nicht einmal das einseitige Parken auf einem der Bürgersteige in der Schützenstraße offiziell zulassen.

Laut Bergold wäre für eine Neuregelung des Parkens ein aufwändiger Umbau der Straße zur verkehrsberuhigten Zone notwendig, auf der Fahrzeuge und Fußgänger überall gleichberechtigt sind: Erst nach Absenken der Bordsteine und höhengleichem Bürgersteig mit der Fahrbahn wäre das Parken auf einer Straßenseite möglich.

Mindestens 80 000 Euro würde ein solcher Umbau der Schützenstraße kosten. Da etliche Wohnstraßen in Eppstein ähnlich problematisch sind, müsste die Stadt eigentlich ein neues Parkraumkonzept fürs gesamte Stadtgebiet entwickeln – eine Idee, die sie für sehr sinnvoll halte, sagte Bergold. In einem solchen Konzept würden zunächst sämtliche Parkplätze, auch die auf privaten Grundstücken erfasst und dann die Möglichkeiten aufgezeigt, wie durch sinnvolle Umgestaltung der Straßen oder Freiflächen weitere Parkmöglichkeiten geschaffen werden könnten.

Das Vorhaben scheitere allerdings an den finanziellen Tatsachen: Die Stadt habe schlicht kein Geld dafür. Weder für das Konzept, geschweige denn, für die Umsetzung. bpa

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23. Mai 2024 - 17:29

Bürgersteige und Autos

Interessant, dass Fahrzeuge nicht auf öffentliche Bürgersteige ausweichen dürfen, wenn die Straße zu eng wird.

Während der zwei Jahre, die ich in der Burgstraße ein Büro hatte, konnte ich täglich beobachten, wie Fahrzeuge ganz selbstverständlich über den Bürgersteig gefahren sind, wenn sie dem Gegenverkehr ausweichen wollten.
Eigentlich ist in der Burgstraße durch Schilder klar geregelt, wer Vorfahrt hat und wer warten muss.
Viele missachten die Schilder und fahren nach dem Motto: »nicht warten, sondern über den Bürgersteig fahren«.

Selbst ein Polizeiauto hat sich mal an diese unschöne Regel gehalten und auf meine Rüge hin redete sich der Polizist auf dem Fahrersitz raus mit der Bemerkung, dass die Straße an dieser Stelle halt zu eng für zwei Fahrzeuge sei.
Da fiel mir nichts mehr ein.



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