Alexander Simon: Hobby zum Beruf gemacht – und nicht bereut
Der Kampf um ausgeglichene Haushalte zieht sich durch Simons gesamte Zeit als Wahlbeamter. Schon bei seiner Wahl zum Ersten Stadtrat 2009 klaffte eine deutliche Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben im städtischen Etat.
Seine zweite Amtszeit als Bürgermeister begann er 2019 mit der Gründung der Neufvilleturm-Stiftung. Schon wenige Wochen später gab es erste Berichte über eine neuartige Krankheit. Seitdem folgte eine Krise auf die nächste: Die Pandemie durch den Covid 19-Erreger und der nicht abreißende Flüchtlingsstrom sind zwar keine hausgemachten Eppsteiner Krisen, „aber wir müssen sie managen“, macht Simon deutlich. Dass Projekte wie die Wiederbelebung des Neufville-Turms vorerst aufgeschoben wurden, sei den zahlreichen anderen Aufgaben geschuldet.
Während seiner Amtszeit seien auch zahlreiche Projekte umgesetzt oder angestoßen worden, sagt Simon und erinnert an den Umbau des Bahnhofsvorplatzes oder das Gewerbegebiet West Am Quarzitbruch, das während seiner Zeit als Erster Stadtrat gebaut wurde. Inzwischen arbeiten dort rund 300 Menschen in elf Betrieben. Er zählt Baugebiete wie das Hollergewann in Niederjosbach auf und erinnert an die massiven Proteste von Anwohnern gegen das Baugebiet Bienroth in Eppstein. Als Bürgermeister habe er die Umsetzung vorangetrieben. Beim Sommerfest in der Neubausiedlung vor einigen Wochen habe er den Eindruck gewonnen, dass sich die Wogen inzwischen geglättet haben. Eppstein war die erste Stadt im Kreis mit flächendeckendem Glasfaserausbau. „Ein Kraftakt“, sagt Simon: Rund 90 Kilometer Straßen mussten dafür aufgebuddelt werden. Jetzt fehlt noch Alt-Eppstein.
In den vergangenen Jahren wurde dank der Reinhard- und Sonja-Ernst-Stiftung eine neue Musikschule gebaut. Die Stadt errichtete das Feuerwehrgebäude An der Embsmühle. Dort entsteht derzeit die Zufahrt zum neuen Multifunktionsplatz für Vockenhäuser Vereine und zum neuen Kindergarten. Bei aller Kritik von Anwohnern gegen das Projekt ist Simon optimistisch: „Ich arbeite lieber für eine Stadt, die neue Kindergartenplätze braucht, als in einer, die sie zurückbauen muss.“
Eppsteins Schulen seien baulich top in Schuss und gefragt, die ursprünglich dreizügige Burg-Schule habe inzwischen durchgehend vier Klassen pro Jahrgang. „Deshalb müssen wir mit dem Main-Taunus-Kreis dringend über eine Erweiterung sprechen“, so Simon.
Eine neue Oberstufe sei zwar ein Wunschziel, naheliegender sei für ihn allerdings, dass der Busverkehr zur Schule reibungslos funktioniert. Vor einigen Monaten habe ein heimisches Busunternehmen die Schulfahrten nach Eppstein übernommen. Seitdem gebe es keine Klagen mehr. Nun habe der Main-Taunus-Verkehrsverbund einen Vertrag mit einem neuen Betreiber für mehrere Buslinien im Kreis abgeschlossen. Von Januar an fährt die Hessenbus GmbH – Mehrkosten für die Stadt im Vergleich zum alten Vertrag: Rund 265 000 Euro pro Jahr.
Überhaupt die Kosten: Auch für die Stadt wird alles teurer, Gas und Strom sowieso. Und ab 2025 sind auch Gemeinden umsatzsteuerpflichtig, wenn sie Leistungen erbringen, die private Unternehmen erbringen könnten. Simon: „Wir haben noch ein Jahr Zeit, um zu überlegen wie wir dann bestimmte Leistungen, etwa die Burgfestspiele, finanzieren.“
Zu den vorrangigen Themen in den nächsten Jahren gehört laut Simon die Planung der beiden Radwege Eppstein-Bremthal und Bremthal-Wildsachsen im Auftrag von Hessenmobil sowie die Gestaltung des Areals der früheren Sparkassenakademie – laut Simon „eine städtebauliche Herausforderung“, der sich Stadt und Eigentümerin GWH gemeinsam stellen. Einig sei man sich mit der GWH, dass das ungewöhnliche Gebäude erhalten bleiben solle. Ein Abriss komme derzeit nicht in Frage – „dann wäre das Thema Bebauungsplanänderung bei uns durch“, sagt Simon, schließlich könne die GWH „nur mit uns bauen, nicht gegen uns!“, sagt er selbstbewusst.
Auch ein neues Gewerbegebiet will er vorantreiben und hofft, dass der Vorschlag für ein Areal bei Bremthal zwischen Valterweg und Bauwald in den Regionalen Flächennutzungsplan aufgenommen wird.
Die Corona-Pandemie beherrschte die erste Hälfte von Simons zweiter Amtszeit und stellte die Stadt vor völlig neue Herausforderungen. Ein Testcenter und später ein Impfzentrum in der Dattenbachhalle wurden mehr oder weniger improvisiert. Simon erinnert sich: „Von den Ehlhaltener Tischtennisspielern haben wir die Absperrungen für die Wegführung ausgeliehen, bei sämtlichen Apotheken der Stadt Impfstoff eingesammelt.“ Auch auf Eppsteins Ärzte, Sanitätsdienste und auf viele Unternehmer sei Verlass, sagt der Rathauschef, „ob im Impfzentrum oder bei der Aufnahme von ukrainischen Flüchtlingen in der Sparkassenakademie: Sie kamen, halfen oder spendeten Geld und Hilfsgüter, wenn wir sie gebraucht haben“.
Gefragt nach den schwierigsten Aufgaben als Bürgermeister nennt er ohne zu zögern das Organisieren von Unterkünften und Wohnungen für Flüchtlinge. Jede Woche nimmt der Kreis rund 64 Flüchtlinge auf, nach Eppstein kommen im Schnitt 20 neue Flüchtlinge im Monat. Die Unterbringung sei zwar Aufgabe der Sozialdezernentin und Ersten Stadträtin Sabine Bergold, sagt Simon, „aber den Dauerdruck, den diese Situation auslöst, müssen wir beide aushalten“. Es werde immer schwieriger, das Ziel zu erreichen, dass keiner, der hilfsbedürftig nach Eppstein kommt, auf der Straße schlafen muss. Simon schließt nicht aus, dass die Stadt eine Containerlösung finden muss: „Wir überlegen in alle Richtungen.“
Auch privat seien die vergangenen Jahre für ihn prägend gewesen: Zusammen mit Ehefrau Kim baute er ein Haus mit Blick auf die Burg. Tochter Louisa wurde vor sechs Jahren geboren und besucht seit dem Sommer die Grundschule, Antonia ist drei Jahre alt und gerade in den Kindergarten gekommen. Am Freitag kehrt Simon selbst für eine halbe Stunde an seine erste Station außerhalb der Familie zurück: In Bremthal, wo er aufgewachsen ist, liest er im Rahmen des bundesweiten Vorlesetags in seinem alten Kindergarten Taunusblick.
Gefragt nach den schönsten Momenten als Bürgermeister antwortet Simon: „Wenn mich Kinder auf der Straße mit ,hallo Bürgermeister’ grüßen.“ Der gute Zusammenhalt in Eppstein sei ein Grund dafür, dass ihm die Arbeit immer noch Spaß mache, er noch immer Elan und neue Pläne habe, sagt der 42-Jährige. Er bereue nicht, dass er sein Hobby, die Kommunalpolitik, zum Beruf gemacht habe. Bevor er Erster Stadtrat wurde, war Simon ehrenamtlicher Stadtverordneter und Ortsvorsteher in Bremthal. In der jüngsten CDU-Mitgliederversammlung erklärte er sich bereit, 2025 erneut für das Bürgermeisteramt zu kandidieren. Bei allen Krisen der vergangenen Jahre habe die Organisation gut funktioniert: Das gut eingespielte Rathaus-Team, die konstruktive Zusammenarbeit in den Gremien und die gute Vernetzung innerhalb der Bürgerschaft machen aus seiner Sicht das Leben in Eppstein aus.
„Ohne das vielfältige ehrenamtliche Engagement von Vereinen, Verbänden, Kirchen und freiwilligen Helfern wäre Eppstein um vieles ärmer“, ist Simon überzeugt. Allerdings sei ihm bewusst, dass viele Ehrenamtliche händeringend nach Nachfolgern suchen – und über die zunehmende Bürokratie durch ständig neue Verordnungen und Gesetze klagen. „Da muss die Stadt proaktiv auf die Vereine zugehen und helfen“, ist er überzeugt und nennt als Beispiel eine neue Verordnung, die bei der Organisation des Martinszugs in Niederjosbach Verwirrung stiftete (Siehe Bericht: Warum es in Niederjosbach keinen Martinsumzug gab).bpa
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