Opera et Cetera: Mit dem Notenschlüssel um die Welt

Die Stars von Opera et Cetera, Kaylee MacPhee, Timon Führ, Younjo Choi, Alex Winn und Jessica Fründ, nutzten die verschiedenen Ebenen der Burg.Foto: Julia Palmert

Die Stars von Opera et Cetera, Kaylee MacPhee, Timon Führ, Younjo Choi, Alex Winn und Jessica Fründ, nutzten die verschiedenen Ebenen der Burg.Foto: Julia Palmert

Der Wettergott erklärte Burg Eppstein letzten Samstag offiziell zur regenfreien Zone und erteilte Gewitterwolken Hausverbot. Im Rahmen der Burgfestspiele hatte der Kulturkreis Eppstein zu einer musikalischen Reise rund ums Mittelmeer eingeladen.

Auf dem Programm standen beliebte Melodien aus Oper, Musical und Hitparade. Zu Gast war die „Opera et Cetera“. Gegründet wurde das Projekt 2011 von dem Tenor Keith Ikaia Purdy und bietet seitdem jungen Gesangstalenten eine Möglichkeit, sich auf der Bühne zu präsentieren.

In seiner Begrüßungsrede bezeichnete Bürgermeister Alexander Simon den Kulturkreis Eppstein und dessen Vorsitzenden Horst Winterer als „Goldreserve“ der Stadt und dankte allen Beteiligten für ihr Engagement.

Die Moderation des musikalischen Streifzuges übernahm Michael Blevins. „Vieles ist gespalten in unserer Welt, die Musik bringt alle zusammen.“ Seine Worte umschreiben treffend das internationale Ensemble von „Opera et Cetera“: Sopran Jessica Fründ (Bad Schwalbach), Mezzosopran Kaylee MacPhee (Las Vegas), Tenor Younjo Choi (Südkorea), Bariton Alex Winn (Texas), Bassbariton Timon Führ (Mainz) und Pianistin Seung-Jo Cha (Südkorea). Den gemeinsamen Auftakt bildete „Around the World“ von Elmer Bernstein.

Danach leitete Seung-Jo Cha zu Jacques Offenbachs Barcarole „Belle Nuit“ über. Jessica Fründ und Kaylee MacPhee verlegten Venedigs Canale Grande kurzerhand in die Burgstadt und verbreiteten eine stimmliche Magie, deren Strahlkraft und Poesie tief berührten. Das neapolitanische Lied „Santa Lucia“, interpretiert von Alex Winn und Timon Führ, überzeugte mit vokaler Eleganz.

Mozarts Opern sind durchtränkt von italienischem Temperament, obwohl der Komponist selbst bodenständiger Österreicher war. Aus seiner Oper „Così fan tutte“ erklang das Terzett „Soave sia il vento“ mit Jessica Fründ, Kaylee MacPhee und Alex Winn. Ohne Kostüm, ohne Requisite, nur mit dem eigenen Klangkörper ausgestattet, erschuf das Trio virtuos eine unbeschreibliche Atmosphäre.

„Opera et Cetera“ bot das italienische Lied „Tiritomba“ dar. Interpretiert wurde es bereits vom Ausnahmetenor Josef Schmidt und vom Entertainer Peter Alexander. In Eppstein vereinten sich die Stimmen von Younjo Choi, Timon Führ und Alex Winn zu einem dynamischen Wechselspiel. Unterstützt wurden die drei Sänger sogar vom Publikum. Moderator Michael Blevins hatte ausdrücklich erklärt: „Mitsingen ist nicht nur erlaubt, sondern erwünscht. Intonation ist Nebensache.“

Keine Nebensache sind Liebe, Eifersucht, Abschied und Verletzlichkeit. Von diesen Dingen handelt das spanische Zarzuela-Lied „No puede ser“, das der Tenor Younjo Choi gefühlvoll interpretierte.

Tenöre wie Beniamino Gigli und Mario Lanza hatten es im Repertoire, auch die Schauspielerin Gina Lollobrigida sang „La Spagnola“. Nun wagte es Jessica Fründ. So wie sie die Töne in der Höhe versilberte und in der Tiefe vergoldete, Handküsse verschenkte und kurz die Rosenranke auf der Bühne zu ihrer Spielpartnerin machte, ist „La Spagnola“ um eine wunderbare Version reicher geworden.

Für die Zigarettenarbeiterin Carmen (Kaylee MacPhee) ist ihre sinnliche Arie „Seguidilla“ ein Spiel mit dem Feuer. Sie entfacht im Sergeanten José (Younjo Choi) einen Flächenbrand zwischen Pflicht und Begehren. Ein ebenso glühender Verehrer Carmens ist Escamillo. Bassbariton Timon Führ agierte in dieser Partie stimmlich stilsicher und mit gekonntem Hüftschwung.

Der Text „Mann von La Mancha“ stammt von Dale Wasserman, die Musik von Mitch Leigh. Beim Musical-Song „The Impossible Dream“ zeigte Alex Winn eindrucksvoll auf, dass in jedem Sänger oft auch ein Don Quijote steckt. Dafür gab es viele Bravorufe. Moderator Michael Blevins führte die Zuschauer dann ins italienische Mantua. Die Kostprobe aus Verdis Oper „Rigoletto“ beeindruckte mit gestalterischer Dezenz und tiefgehender Intensität

Beinahe nahtlos wechselte die Szenerie: Mauern wurden zu Meeren, Rosen bekamen Flossen, Eppstein wurde Neapel und das Publikum sang unter Anleitung von Timon Führ „Die Capri-Fischer“. Während die Frauenstimmen etwas zaghaft „die rote Sonne im Meer versinken ließen“, schienen zahlreiche Männerstimmen bei „Bella, bella, bella, Marie“ auffallend abgeklärt.

Younjo Choi hatte die Tenorarie „Nessun dorma“ im Gepäck, flutete den Burghof mit virtuos ausbalancierten Tönen und wühlte die Zuhörenden emotional auf. Beim „O sole mio“ verwob das Ensemble seine Stimmfarben differenziert zum großen Finale vor der Pause.

Alle rotgepolsterten Stühle in der Juchhe brauchten etwas Zeit, um spontane „O sole mio“-Gesänge einiger Zuschauer zu verdauen. Dann genossen die Gäste ihre Erfrischungen. Sekt sprudelte, Rheinwein duftete und so manche Bockwurst lugte dampfend aus einem Weizenbrötchen. Gläser mit Aperol klirrten, Laugenbrezeln krümelten bei angeregtem Geplauder. Die Burgschauspieler machten Catering zur Herzenssache. Erst als „Drei von Tankstelle“ ein Intermezzo anstimmten, erklärte man die Pause für beendet. Timon Führ verblüffte mit seinem stimmlich exzellent ausgeloteten Vortrag von „La femmine d’Italia“ von Giacomo Rossini. Vom selben Komponisten stammt „Cruda Sorte“. Kaylee MacPhee verlieh der Arie raffinierte Facetten und lotete ihr Stimmregister kunstvoll aus.

Das Publikum traf nun in Paris auf Puccinis „La Bohème“. Das Duett zwischen Rodolfo und Marcello, in welchem den Künstlern Feder und Pinsel streiken, weil sie zu angefüllt sind von Liebeswirren, übernahmen Younjo Choi und Alex Winn. Beide schwelgten elegisch in satter Tiefe und strahlender Höhe. Es schien, als wolle niemand der Erste sein, den Zauberbann der Sänger mit Applaus zu brechen.

Kein Konzertabend kommt ohne das Blumenduett aus der Oper „Lakmé“ von Léo Delibes aus. Jessica Fründ und Kaylee MacPhee brillierten seelenvoll mit feingeschliffenen Tönen. Eine unterhaltsame Adaption des Chansons „C’est si bon“ rückte wiederum Paris in den Blickpunkt und die Wandlungsfähigkeit des Baritons Alex Winn in den Vordergrund. Weiter ging es mit dem „Phantom der Oper“. Empfindsam sangen Jessica Fründ und Timon Führ „Mehr will ich nicht“.

Das Eppsteiner Publikum wollte mehr als das darauf folgende Trinklied aus dem Musical „Les Misérables“. Es wollte mehr, als nur selbst das Glas zu erheben. Es wollte den schönen Abend voller Musik mit außergewöhnlichen Stimmen festhalten. „Opera et Cetera“ bedankte sich furios mit dem „Brindisi“ aus Verdis „La Traviata“. Auf der Bühne wurde eingeschenkt, die Flasche auf das Piano gestellt und ein allgemeiner Rundgesang beschloss die musikalische Reise. Pianistin Seung-Jo Cha setzte zum Schlussakkord an. Das ganze Konzert über begleitete sie das Ensemble als grandiose Ein-Frau-Philharmonie. Die Blaue Stunde senkte sich still über die Burg, die Herzen des Publikums klangen wider.

Noch sind die Burgfestspiele nicht vorbei. Wer Zeuge einer Revolution auf Burg Eppstein werden möchte, besucht am 3. August um 19.30 Uhr Michael Quast und dessen Volkstheaterstück „Feuer! De Maa brennt“. Karten sind online unter www.frankfurtticket.de erhältlich.uki

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