Aus der Presse habe ich erfahren, dass die Stadt Eppstein derzeit eine Änderung der Stellplatzsatzung plant. Da ich beruflich sehr oft bauaufsichtlich mit der Anwendung einer Stellplatzsatzung betraut bin, habe ich mich mit dem Entwurf eingehend beschäftigt und möchte Ihnen gerne meine Anmerkungen schildern:
Insgesamt ist mir unverständlich, warum Eppstein vollständig gegen den Trend aller anderer Kommunen plant, mehr Stellplätze als bisher vorzusehen und damit die Versiegelung der Grundstücksfreiflächen massiv voranzutreiben. Die mir bekannten Kommunen, die ihre Satzungen gerade überarbeiten, planen sämtlich, die Versiegelung der Grundstücksfreiflächen zu reduzieren, zumeist auch in Verbindung mit entsprechenden Klimaschutz- oder Freiflächensatzungen. Das erscheint im Hinblick auf den Klimawandel und die damit verbundene unbedingte Notwendigkeit der Klimaanpassung unserer Städte und Gemeinden das einzig sinnvolle.
Zudem fordert der Satzungsentwurf für alle Arten von Vorhaben, Wohnungsbau wie auch gewerblich, mehr notwendige Stellplätze als die Satzungen umliegender Kommunen. Das stellt unweigerlich ein großes Investitionshemmnis dar, denn damit werden häufiger als bisher Stellplätze auch in Tiefgaragen geplant werden müssen. Für das Stadtbild mag dies wünschenswert sein, die Baukosten werden damit jedoch deutlich in die Höhe getrieben. Das erschwert preisgünstiges Bauen und bezahlbaren Wohnraum ganz enorm.
Durch die sehr große Ausdifferenziertheit der Vorgaben entstehen eine Vielzahl von Abweichungstatbeständen, über die jeweils entschieden werden muss. Im Hinblick auf die Personalausstattung und die Arbeitsbelastung in den Baubehörden kann nur davon abgeraten werden, durch eine neue Satzung die Zahl der zu entscheidenden Abweichungen weiter hoch zu treiben. Das führt zu entsprechenden kostenpflichtigen Genehmigungsverfahren und hemmt schnelle Bearbeitungszeiten. Allerorten ist die Rede davon, Bürokratie abzubauen und Genehmigungsverfahren gerade für Wohnungsbau zu beschleunigen, in diesem Satzungsentwurf geschieht meines Erachtens genau das Gegenteil.
Im Einzelnen bedeutet das:
In § 4 (7) wird bei der Berechnung für Wohngebäude auf die Netto-Raumfläche nach DIN 277 abgestellt. Das bedeutet, dass hier auch Technikflächen und Abstellflächen mit einbezogen werden. Für ein vollunterkellertes Einfamilienhaus mit nicht ausgebautem Dachgeschoss kommen so einige Quadratmeter zusätzlich zusammen. In der Anlage ist bei Wohnungen dann jedoch die Rede von der Gesamtfläche.
In § 5 ist geplant, § 52 (4) Satz 1 und 2 (Ersetzen von PKW-Stellplätzen durch Fahrradstellplätze) der HBO auszuschließen oder zumindest stark einzuschränken. Das verwundert sehr, da diese Vorschrift erst 2018 in die Überarbeitung der HBO mit aufgenommen wurde, gerade um den Kommunen zu ermöglichen, weniger Fläche ihres Gemeindegebietes mit Stellplätzen versiegeln zu müssen, sondern mehr Freiflächen begrünen zu können.
§ 6 Abs. 1 erlaubt sog. „gefangene Stellplätze“ nur für Einfamilienwohnhäuser und nur im Rahmen einer Abweichungsentscheidung. Es ist nicht nachvollziehbar, warum nicht allen Menschen, die in einer Wohneinheit zusammenleben, egal ob Haus oder Wohnung, zugestanden wird, ihre KFZ auch hintereinander abzustellen und gegebenenfalls umzuparken. Durch das Einführen eines Abweichungsentscheidung, die vermutlich regelhaft beantragt wird, entsteht zum einen ein großer Verwaltungsaufwand in der Behörde. Zum anderen werden dadurch Vorhaben, die sonst nach § 64 HBO genehmigungsfrei gestellt wären (damit schnell und gebührenfrei für die Antragsteller), in die Baugenehmigungspflicht gedrückt. Das verteuert und verlangsamt den Wohnungsbau nicht nur unerheblich.
Nach § 8 (2) müssen Garagen und Carports 5m Abstand zur öffentlichen Verkehrsfläche aufweisen. Das potenziert die versiegelte Fläche auf dem Grundstück, denn für jeden Carport benötigt man die gleiche Fläche nochmals als „Vorfahrt“. Außerdem erschwert diese Vorschrift den nachträglichen Überbau von Stellplätzen mit einem Carport, da der Stellplatz an der Straße verortet sein kann und im Falle des Überbaus 5m ins Grundstück hinein versetzt werden muss. Es wird also die doppelte Fläche an Versiegelung erforderlich. Zwar sind hier auch Abweichungen vorgesehen, für diese gilt hinsichtlich des Verwaltungsaufwandes jedoch das gleiche wie bereits beschrieben.
Die Stellplatzablöse in § 11 (2) erscheint deutlich zu teuer. Nimmt man einen Bodenrichtwert von 500,- EUR an, so ergibt sich nach der geplanten Satzung ein Betrag pro Stellplatz von 15.000 EUR. Dies ist nur ein Schätzwert, da in § 11 (2) b für die Mindestgröße auf § 4 verwiesen wird, dort aber keine Angaben zur Mindestgröße zu finden sind. Das sollte auch noch einmal redaktionell nachgebessert werden.
Selbst in den beiden benachbarten großen Städten Frankfurt und Wiesbaden ist die Ablöse wesentlich preiswerter: in Frankfurt, sogar in der Innenstadt, kostet ein abzulösender Stellplatz lediglich pauschal 10.000 EUR, in Wiesbaden bei vergleichbarem Bodenrichtwert 9.000 EUR.
In der Anlage Punkt 1.1 bis 1.4 werden deutlich zu viele Stellplätze je Wohnung verlangt. Vor allen Dingen in der Kombination des Abstandes zur öffentlichen Verkehrsfläche und damit, dass alle einzeln anfahrbar sein müssen, führt dies zu einer ganz enormen Versiegelung der Freiflächen.
Es kann nicht das Ziel moderner Stadtplanung sein, Grundstücke von Einfamilienhäusern, die leicht über 200qm „Nettoraumfläche“ aufweisen, mit ca. 100qm Fläche allein für PKW-Stellplätze zu versiegeln. Nimmt man ein großes Einfamilienhaus mit einer mittelgroßen Einliegerwohnung, fallen nach der geplanten Satzung, selbst nach der letzten Überarbeitung, noch 4-5 Stellplätze an. Da bleibt dann nicht mehr viel Fläche für Garten und Grün.
Ein kleines Mehrfamilienwohnhaus mit 4 großen, familiengerechten Wohnungen; ein Projekt, das in der derzeitigen Wohnungsmarktsituation sicherlich für jede Kommune hoch attraktiv wäre, benötigt nach dem aktuellen Entwurf 8 bis 10 Stellplätze. Diese werden in der Praxis kaum in der Grundstücksfreifläche vorgesehen werden können, so dass die Notwendigkeit entsteht, Tiefgaragen zu bauen. Das verteuert die Baukosten solcher Projekte ganz enorm. Dabei wird preisgünstiger Wohnraum allerorten händeringend gesucht.
Dass die Notwendigkeit, Freiflächen von Bebauung gerade freizuhalten und zu begrünen, auch und vor allem aus Gründen des Klimaschutzes unbedingt gegeben und eine der großen Herausforderungen für die Zukunft der Städte ist, habe ich bereits eingangs ausgeführt. Diese Planung für notwendige Stellplätze jedoch läuft diesen Zielen geradezu zuwider.
2 PKW-Stellplätze für große Wohneinheiten in Kombination mit ausreichend Fahrradabstellplätzen werden in den allermeisten benachbarten Kommunen für ausreichend erachtet. (Wiesbaden, auch in den östlichen Vororten 2 bzw. 1,5; Hofheim 1, Frankfurt 1,5, Niedernhausen 2)
1.9 und 1.10: Senioren- und Geflüchtetenwohnheime mit einem Stellplatz je 4 Betten zu planen, geht meines Erachtens ziemlich am Bedarf vorbei. Ich war einige Zeit im Eppsteiner Asylkreis engagiert; das letzte, was die Geflüchteten mitbrachten, war ein KFZ. Auch reichte das Geld sehr lange nicht zum Erwerb eines solchen.
Die Abgrenzung zwischen Seniorenwohnheim (1.9) und Pflegeheim (7.2) ist bereits baurechtlich sehr komplex, so dass hier ein unterschiedlicher Stellplatzschlüssel in der Praxis sehr aufwändig zu ermitteln ist.
Für 2.2., Gewerbe mit Besucherverkehr, erscheint mir die Forderung eines Stellplatzes je 20 qm sehr hoch. Andere Kommunen fordern deutlich weniger (25 bzw. 30 qm)
In Bezug auf den Einzelhandel fällt auf, dass hier der kleinflächige Einzelhandel im Verhältnis mehr Stellplätze je qm nachweisen muss als der großflächige. Mit dieser Begünstigung des großflächigen Einzelhandels unterscheidet sich Eppstein nicht nur ganz wesentlich von allen umliegenden Gemeinden. Auch städtebaulich sollte doch eher wünschenswert sein, den kleinen Einzelhandel zur Versorgung des Gebietes in den Ortsteilen zu stärken, zu fördern und zu begünstigen und damit auch stellplatzseitig zu entlasten.
Für Gaststätten und Hotels sind die vorgesehenen Zahlen wesentlich höher als diejenigen anderer Kommunen; ein Stellplätz je 8 qm Nutzfläche ist deutlich mehr als in Wiesbaden (einer je 35 qm) oder Hofheim (einer je 8 Satzplätze). Diese hohen Stellplatzanforderungen könnten deutlich investitionshemmend wirken.
Stellt man sich nur einmal ein kleines Ladengeschäft mit 80 qm Nutzfläche vor, welches in eine Gaststätte umgenutzt werden soll, ergibt sich bereits für eine solch kleine Gaststätte ein Mehrbedarf von 6 Stellplätzen (Einzelhandel 1 Stpl. Je 20 qm; Gaststätte 1 Stpl. Je 8 qm; vorhanden also 4 Stpl; neu notwendig 10 Stpl. = Mehrbedarf 6 Stpl.) Diese 6 Stellplätze werden in aller Regel auf dem Grundstück nicht zu realisieren sein, so dass eine Ablöse erforderlich wird. Bei 500,- EUR Bodenrichtwert ergibt sich ein Ablösebetrag von 15.000 EUR pro Stellplatz, für 6 Stellplätze also 90.000 EUR.
Alles in allem sehe ich viele Aspekte sehr kritisch, sollte diese Stellplatzsatzung wie sie derzeit vorliegt, verabschiedet werden. Eppstein würde dann für jedes Bauvorhaben, egal ob Wohnungen oder gewerblich, erheblich mehr notwendige Stellplätze fordern als die umliegenden Kommunen. Insbesondere die Frage der Versiegelung der Grundstücksfreiflächen liegt mir sehr am Herzen, ebenso wie das Entstehen von bezahlbarem Wohnraum und die Ansiedelung von Wirtschaftsbetrieben in dieser Stadt.
Der bundes- und landesweite Trend geht ganz eindeutig in Richtung Bürokratieabbau, Beschleunigung und Vereinfachung von Genehmigungsprozessen, Entsiegelung der Grundstücksfreiflächen, Förderung des Fahrradverkehrs und Schaffen von familien-geeigneten Wohnungen. Für mich geht die geplante Satzung damit leider genau in die entgegengesetzte Richtung.
Sandra Matzenauer
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