Die beiden Orchester hatten ein vielseitiges Programm vorbereitet, das thematisch mehrere Aspekte des Show-Geschäfts unterschiedlicher Epochen berücksichtigte.
Noch vor Beginn des Konzertes lockte ein interaktives Quiz mit einem Gutschein für ein Frei-Getränk die Besucher zum Mitmachen. Überall waren Hinweise auf die Lösungen versteckt. So lernten die Gäste, dass beispielsweise ein hochwertiges Konzertakkordeon aus etwa 10 000 bis 15 000 Einzelteilen besteht, dass das Orchester bereits zum dritten Mal auf der Burg gastiert, dass der Burgturm 124 Stufen hat und Italien das Land mit den meisten Akkordeonherstellern ist.
Die beiden Orchester begeisterten ihre zahlreichen Zuhörer, von denen viele auch auf der Tribüne über dem Mainzer Keller ihren Platz gefunden hatten, wodurch im Burghof einige Lücken entstanden. Ein Akkordeon ist ein stimmgewaltiges Instrument und die Burg ist kein Konzertsaal mit optimaler Akustik. Das Klangerlebnis variierte je nach Sitzplatz. Aber die beiden Orchesterleiterinnen Birgit Heyne von „Main Accordion Youth“ und Beate Rettig-Horch vom „Harmonika Spielring Langen“ hatten auf die besonderen Akustikverhältnisse bei der Auswahl der Stücke Rücksicht genommen. Sie stelle sich immer die Fragen, welche Arrangements es für das Instrument gäbe und ob sie zur Burg passen würden, erklärte Heyne.
Zu verspielt und filigran dürfe ein Stück nicht sein. Ihr Orchester spielte im ersten Konzertteil bis zur Pause das Publikum in gelöste Stimmung. Die Ouvertüre „Der Schauspieldirektor“ von Wolfgang Amadeus Mozart eröffnete die Show im Stil des 18. Jahrhunderts. Mit der Ballettmusik No. 2 von Franz Schubert stieg ein weiterer musikalischer Stern am Show-Himmel der Vergangenheit auf, der bis heute erstrahlt. Mit „Ich hätt’ getanzt heut Nacht“ von Frederick Loewe aus „My Fair Lady“, gefühlvoll und stimmgewaltig gesungen von Silja Reetz, und dem anschließenden Potpourri aus „West Side Story“ von Leonard Bernstein ging die Zeitreise weiter in Richtung Musical und 20. Jahrhundert. Der erste Teil vor der Pause endete mit „Riverdance“ von Bill Whelan, bei dem Clarissa und Simon an der Percussion geschickt mit ihren Klangkünsten die Illusion von irischen Stepptänzern heraufbeschworen.
Ebenfalls zum Orchester gehörte ein Elektronium, eine Art Keyboard in Akkordeon-Form. Anders als beim Akkordeon werden im Elektronium selbst keine Töne erzeugt. Es ist vielmehr an ein Soundmodul angeschlossen, das den gewünschten Ton und Klangfarben wie „Klarinette“, „Oboe“, „Fagott“ generiert. Die Balg-Dynamik wirkt sich dabei sowohl auf die Lautstärke wie auch auf die Klangfarbe selbst und das Ansprechverhalten aus.
„Eine hochinteressante, sehr ambitionierte Auswahl an richtig schweren Stücken“, bewunderte die Eppsteinerin Christine Baldt den Mut des „Main Accordion Youth“. Es ist ein Laienorchester, das jungen Menschen aus dem gesamten Rhein-Main-Gebiet eine Orchester-Heimat gibt. Viele spielen auch in anderen Vereinen, aber das überregionale Orchester „Main Accordion Youth“ gibt ihnen ihre „Show-Time“, eine Bühne, um ihr Können vor Publikum zeigen zu können.
Einmal im Monat proben die knapp 20 Musiker. Die meisten hat Orchesterleiterin Birgit Heyne selbst ausgebildet und für sie seinerzeit das ehemalige Projektorchester gegründet. Der Verein aus Frankfurt hat sich die Jugendförderung auf die Fahne geschrieben. „Junge Menschen müssen untereinander sein, einen Platz bekommen, um sich auszuprobieren und Neues kennenzulernen“, erklärte Heyne die Motivation, warum zusätzlich zu dem am Samstag aufgetretenen Orchester noch ein Jugendorchester gegründet wurde. In ihm spielen Kinder aus der zweiten bis fünften Klasse, also von sieben Jahren an aufwärts als Orchester zusammen. Denn eine Akkordeon-Karriere startet meistens früh.
Marcel Nees hat mit sieben Jahren angefangen und ist heute, 30 Jahre später, immer noch Feuer und Flamme für das Instrument. Celine Coridaß hat vor 20 Jahren in der Grundschule durch Birgit Heyne den ersten Kontakt zum Akkordeon bekommen und war sofort begeistert. Sie ist ihrem Instrument treu geblieben, gerade weil sie mit dem Orchester eine motivierende Gruppe habe, in der es Spaß mache zu musizieren.
In der Pause plauderte das Publikum bei einem Gläschen Wein über seine Eindrücke. Ricarda Prinz hat selbst als Hobby eine Zeitlang Akkordeon gespielt und war glücklich, „ihr Instrument“ mal in einem Konzert hören zu können. Auch Enrico Prinz fand das klanggewaltige Konzert toll. Die beiden genossen den Abend in vollen Zügen. Es sei eine warme Sommernacht, die Burg eine traumhafte Kulisse, rundherum nur nette Menschen, in Summe ein perfekter Abend.
Magdalene Budach aus Frankfurt hätte sich im ersten Teil mehr Solisten gewünscht. Ihr Wunsch wurde nach der Pause vom „Harmonika Spielring Langen“ erhört. Im Gegensatz zu ihrem gastgebenden Orchester proben die Langener jede Woche. Die beiden Vereine sind miteinander schon lange befreundet, aber ihre Konzepte unterscheiden sich. Nach der Pause übernahm Beate Rettig-Horch den Dirigentenstab und ließ ihre Musiker virtuous mit vier Sätzen aus „Die Drei Musketiere“ von Adolf Götz starten. Fulminant ging es weiter mit „One Tango“ von Ian Watson. Moderator Marcel Wölfle aus Eppstein verriet in seiner Ankündigung, wie es zu diesem Mix aus Tango und Pop-Elementen gekommen sei. Götz habe ursprünglich lediglich einen Tango komponieren wollen. Aber in der Kaffeepause hätten ihn die Klänge von U2 fasziniert und ihn zu den Pop-Elementen in seiner Komposition inspiriert.
Das Langener Orchester lief zu Höchstform auf. Es erklang das große Operetten-Potpourri „Maske in Blau“ von Fred Raymond. Zum Evergreen „Sweet Caroline“ von Neil Diamond sang und klatschte das Publikum mit. Die Sonne verschwand hinter den beiden Zinnen hinter der Bühne, das Schlagzeug leuchtete im Gegenlicht, Rettig-Horch dirigierte mit einem grün und rot leuchtenden Dirigentenstab die letzten drei Stücke von Gilbert O’Sullivan. Solist Matthias Antl glänzte mit unglaublicher Dynamik. Stehende Ovationen belohnten das Orchester. Es revanchierte sich mit einer Zugabe aus der Filmmusik „Wie im Himmel“.
Als Dank bekamen die beiden Orchesterleiterinnen noch Blumen und Wein überreicht. Harmonisch und glücklich endete so ein sehr kurzweiliger Abend, der durch die verschiedenen Musikgenres für jeden Geschmack einen Leckerbissen bereitgehalten hatte.ffg
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