Ein Fest für die Sinne bot die Aufführung der Opera Classica Europa. Seit 2007 gastiert sie regelmäßig bei den Eppsteiner Burgfestspielen. Ihr Gründer Michael Vaccaro inszenierte in diesem Jahr die Operette „Land des Lächelns“ von Franz Lehár farbenfroh in internationaler Besetzung. Der Takt der Musik, hauptsächlich durch Walzer getragen, verleiht dem Stück trotz des melancholischen Grundtons eine romantische und beschwingte Stimmung. Das Publikum schwelgte in den eingängigen Melodien der Lieder, allen voran „Dein ist mein ganzes Herz“. Regie dieser Operette – diesmal ohne Happy End – führte Paul Votruba aus der Schweiz, Präsident des Zusatzchors des Opernhauses Zürich. Bei der Begrüßung des Publikums schickte Erste Stadrätin Sabine Bergold einen sorgenvollen Blick zum Wolken verhangenen Himmel. Doch nur ein leichter Schauer führte zu einer kurzen Unterbrechung des Stücks.
Einen Augenschmaus gab es schon bei der vom Orchester unter der Leitung von Hans Härle gespielten Ouvertüre: Ein Ballett-Ensemble aus vier jungen Damen bezauberte das Publikum mit einem chinesischen Schirmtanz, bevor die Handlung im Wien des Jahres 1912 ihren Ausgang nahm, damals noch Hauptstadt der Habsburger Monarchie.
Sopran Claudia Grundmann aus Wiesbaden mimte die junge Gräfin Lisa, die sich in den chinesischen Prinzen Sou-Chong aus Peking verliebt. Sein exotisches Gastgeschenk, ein Schrein mit einem Buddha, wirkte nicht etwa fremd auf sie, sondern zog sie in den Bann.
Das Libretto von Ludwig Herzer und Fritz Löhner-Beda nach einer Vorlage von Victor Léon schreibt dem Prinzen eine empfindsame Seele zu. Bei der Uraufführung im Jahr 1929 brillierte in dieser Rolle Tenor Richard Tauber im Berliner Metropol-Theater, in Eppstein bei den Burgfestspielen der gebürtige Mexikaner Marco Antonio Rivera. Er stellte sich dem Publikum mit dem Lied „Immer nur Lächeln“ vor: „Lächeln trotz Weh und tausend Schmerzen, doch wie’s da drin aussieht, geht niemand etwas an.“
Im Duett „Bei einem Tee à deux“ kommen sich Lisa und der chinesische Prinz näher und gestehen sich – temperamentvoll und selig – ihre Liebe. Unterdessen gab es in China 1912 einen gewaltigen Umbruch:…
Gegensätze der Kulturen und ein Blick hinter die Kulissen
Der chinesische Kaiser dankte ab, die Republik wurde ausgerufen. Prinz Sou-Chong wird zum Ministerpräsidenten berufen und soll sofort abreisen, um sein Amt zu übernehmen. Lisa entschließt sich, dem Geliebten ins Reich der Mitte zu folgen, obwohl ihr Verehrer, der von Tenor Gastone Efficace aus Argentinien gespielte Graf Gustav von Pottenstein, genannt Gustl, ihr ins Gewissen redet.
Im zweiten Akt ist der Schauplatz nach Peking verlagert, die Bühne dekoriert mit einem goldfarbenen Buddha flankiert von zwei chinesischen Kobras ebenfalls in goldener Farbe. „Die alten Zöpfe sind ab“, frohlockt Lisa. Doch schon die Berufung des Prinzen als Ministerpräsident im opulenten goldfarbenen Gewand lässt Zweifel aufkommen. Die Tradition – trotz Ausrufung der Republik – setzt sich durch: Bariton Richard Alexandre Rittelmann in der Rolle des Onkel Tschang bestimmt stimmgewaltig mit überzeugender Autorität, dass der Prinz drei mandschurische Bräute zu heiraten habe. In dieser Rolle schweben Julia und Eva Palmert sowie Burgschauspielerin Judith Graf unter einem Baldachin über die Bühne.
Lisa ist entsetzt, daran kann auch Gustl nichts ändern, der inzwischen in Peking eingetroffen ist und Lisa zu trösten versucht. Parallel entspinnt sich eine zarte Liaison zwischen ihm und Mi, der Schwester des Prinzen, bezaubernd in Szene gesetzt vom Sopran Katrina Taynara.
Lisa erkennt die unüberbrückbaren Gegensätze ihrer Kulturen und will mit Gustl nach Hause fahren. Sou-Chong aber besteht darauf, die Liebe seines Herzens zu halten. Der Publikumsliebling, das Lied „Dein ist mein ganzes Herz“, legt Zeugnis ab von seinen Gefühlen und seiner Gesinnung. Doch er fordert auch die Unterordnung seiner Liebsten ein: „Ich bin Dein Herr“. „Ein böser Traum“, entgegnet Lisa.
Nach einem missglückten Fluchtversuch kann sie ihn mit Hilfe von Mi schließlich umstimmen. Sou-Chong gibt Lisa frei und bleibt mit einem traurigen Lächeln zurück. Auch Mi stimmt am Schluss traurig in den Refrain „Immer nur Lächeln“ ein.
Das Publikum spendete reichlich Applaus für die Aufführung, darunter sogar Fans aus Köln: Seniorin Heidemarie Daum hatte die Reise unternommen, um sich mit ihren Enkeln Paul und Philipp Hamann ihre Lieblingsoperette anzusehen.mi
Probe fügt sich zum glanzvollen Ganzen
Intendant Michael Vaccaro von der Opera Classica Europa und Erste Stadträtin Sabine Bergold deuteten es in ihrer Begrüßung an: „Aufmerksame Besucher werden drei Eppsteiner auf der Operettenbühne erkennen...“
Wie es dazu kam: Bei den Burgschauspielern fragte Vaccaro vor Wochen an, ob sie drei Bräute für die Operettenaufführung stellen könnten für einen kurzen Auftritt nach der Pause. Burgschauspieler-Chefin Juliane Rödl fragte im Netzwerk herum und hatte auch schon eine Idee: „Vielleicht ein besonderer Einsatz für die Palmert-Girls – hihihi?“ Das haben wir als Fans der Burgschauspieler und der Opera Europa gerne aufgegriffen und so schlüpften Geschäftsführerin Julia Palmert und ihre Schwester Eva in die Rolle der Mandschu-Mädchen – Redakteurin Beate Schuchard-Palmert weilte derweil im Urlaub. Als dritte Braut war Judith Graf von den Burgis mit dabei, und Petra Sager wirkte als Baldachinträgerin mit.
Die vier Statistinnen erlebten einen spannenden Tag auf der Burg. Um 14.30 Uhr war Vaccaro mit seinem Team noch voll beschäftigt mit dem Aufbau der Technik. Die ersten Musikerinnen und Musiker des Orchesters der Opera Classica unter ihrem Dirigenten Hans Härle nahmen ihre Plätze unterm Pavillon auf der seitlichen Bühne ein. Sopranistin Claudia Grundmann probte ihre Einsätze als Lisa. Gegen 15 Uhr kam Tenor Marco Antonio Rivera den Westaufgang hinaufgestiegen, ließ seinen Rucksack fallen und setzte als Prinz Sou-Chong sogleich im Duett mit Lisa ein.
In der Garderobe in der Kemenate wurden die vielen Kostüme vorbereitet. Regisseur Paul Votruba gab den Balletttänzerinnen, Schauspielerinnen und Chormitgliedern Anweisungen. Die meisten wussten, was zu tun ist, und so fügte sich das für die vier Amateure etwas chaotisch anmutende Proben zu einem farbenfrohen, musikalischen Ganzen in zwei Welten, dem beschwingten Wien der Jahrhundertwende um 1912 und dem glanzvollen Hof in Peking.
Gekrönt wurde der Tag mit der After Show-Party in der Juchhe der Burgschauspieler, wo die Opernsänger als Zugabe das berühmte „Brindisi“ aus Verdis „La Traviata“ gaben – „Auf Freunde, lasst die Gläser klingen“. Das wurde in der Juchhe mit Freude umgesetzt.jp
Kommentare