Sonnenschein und Vogelgezwitscher ließen keine Stimmung aufkommen, die Leichen im Keller vermuten ließ. Nicht einmal die Rosen am Rankgitter wirkten suspekt. Die Bühnenausstattung versuchte harmlos auszusehen, obwohl Häkeltischdecken immer verdächtig wirken. Ins Auge fiel eine große Holztruhe, die jeder Krimi-erfahrene Laie sofort zur forensischen Untersuchung abtransportiert hätte.
Bereits 1941 feierte das Stück „Arsen und Spitzenhäubchen“ am Broadway Premiere. Dort hob sich der Vorhang zu gefeierten 1444 Aufführungen. Der Erfolgsautor Joseph Kesselring fand in den Gerichtsakten der Amy Archer-Gilligan seine Inspiration. Diese eröffnete 1907 ein Pflegeheim in Connecticut. Nicht nur Amys zwei Ehemänner starben an Gift, sondern auch 48 Senioren, die sich in ihrer Obhut befanden. Regisseur Frank Capra verarbeitete den Theaterstoff 1944 zu einem Filmklassiker. Erfolglos umwarb er Ronald Reagan für die Rolle des Mortimer. Den Part übernahm letzten Endes Cary Grant. Hollywoods „Dandy der Stunde“ stand in seiner Rolle als Theaterkritiker Mortimer im Vordergrund – und findet in Burgschauspieler Dirk Büttner ein würdiges Pendant.
Seine charmanten Tanten, die beiden älteren Damen Abby und Martha Brewster, wirken ganz unauffällig. Sie rühren in ihrem Earl-Grey-Tee, plaudern über das Wetter und stärken artig ihre Spitzenhäubchen. Bis zu dem Moment, in dem ihr Neffe Mortimer die Truhe öffnet und darin einen Toten findet. An dem Tag fliegt die Tarnung der Tanten auf. Ein Abgrund massenmörderischer Art eröffnet sich dem ahnungslosen Mortimer. Leichen stapeln sich im Keller.
Als wenig hilfreich erscheint da die Tatsache, dass sich Mortimers intellektuell eingeschränkter Bruder Teddy (Robin Sommer) für den 26. Präsidenten der Vereinigten Staaten hält. Regelmäßig schreckt er seine Nachbarn mit Trompetenterror aus den Betten, sofern sie noch leben. Wenn Teddy nicht gerade ins Blech pustet, schaufelt er im Keller Löcher, direkt neben eingemachtem Kürbis und Braunkohlebriketts. Dort landen vorwiegend einsame Herren, die von den Tanten mit einem bunten Cocktail aus Arsen, Strychnin und Zyankali auf ihre letzte Reise geschickt wurden.
Als dann noch Mortimers anderer Bruder Jonathan auftaucht, der sich als psychopathischer Serienmörder entpuppt, verwirren ahnungslose Polizisten, entnervte Nervenärzte und andere illustre Gestalten die Handlungsfäden ins Absurde.
Seit Januar proben die Burgschauspieler mit viel Engagement. Die Spielleitung liegt in den Händen von Juliane Rödl. Ihr zur Seite stehen Regieassistent Toni Jäckel und Souffleuse Helga Terzka. Ursprünglich war die Kriminalkomödie für die Burgfestspiele 2022 eingeplant, doch wegen der Pandemie nicht zur Aufführung gebracht. Die Online-Proben per Zoom-Konferenz wirken im Nachhinein wie absurdes Theater. Jetzt ist alles ohne Abstand ganz anders. Das Ensemble ist mit 14 Darstellern erstmals wieder so groß, wie vor Corona. Gemeinsam feilen die Darsteller an Szenen und Übergängen, entwickeln Ideen, wie sich der Handlungsort von Brooklyn nach Eppstein verlegen lässt, und optimieren ihr Verständnis für Tempo und Text.
„Soll ich dir mal zeigen, was in der Truhe ist“, fragte Mortimer seine Tante Abby (Gabriele Wittich), deren Gesichtszüge sich mit professioneller Pokermanier bedeckt halten. Hinter der Tür zur Kemenate wartet Richard El-Duweik auf seinen Auftritt. Noch knabbert er seelenruhig Häppchen, aber im Laufe des Stückes wird er als Dr. Einstein vom rasanten Lauf der Ereignisse verschlungen. Als wahnsinniger Wiederholungstäter Jonathan lässt Darsteller Benjamin Peschke erahnen, welche Abgründe in ihm lauern.
Würdevoll mit Spitzenkragen schreitet Linda Kratz als Martha über die Bühne und lächelt wie Mona Lisa. „Sie haben keine Ahnung, was in Eppstein alles passiert.“ Der besorgniserregende Satz kommt von Officer O’Hara, gespielt von Nicola Sasse. Obwohl schwer bewaffnet mit Handschellen und Schlagstock, bringt auch sie kein Licht ins Dunkel der Truhe.
Wenn am 28. Juni zur Premiere das Lampenfieber grassiert, dann lässt sich auch Neu-Burgschauspieler Josef Belsan davon anstecken. Feiert er schließlich sein Open-Air-Debüt in der Rolle des Mr. Witherspoon. Schon bei den Theater Freunden Oberjosbach schnupperte Belsan Bühnenluft. Dort ging es um Nonnen und Gewehre. Nun geht es um Giftmorde. Danach gefragt, wie er seine Rolle sieht, antwortete er: „Ganz entspannt.“ Er beobachtet die Szenenarbeit genau. „Juliane Rödl und ihr Team haben das Originalstück gekürzt und eine eigene Fassung mit vielen Gags erarbeitet.“ Auch der Senior der Truppe, Knut Vollmuth, Burgschauspieler der ersten Stunde, spielt nach einigen Jahren Spielpause wieder mit.
Das Publikum darf sich auf viel Wortwitz, Verwechslungen und verrückte Wendungen freuen. Die Burgschauspieler sind bereit für einen Krimiabend voller Hochspannung. Wer bei ihnen zum Lachen in den Keller geht, muss mit Überraschungen rechnen.
Eintrittskarten für die Aufführungen von „Arsen und Spitzenhäubchen“ am 28. und 29. Juni sowie am 5. und 6. Juli sind im Vorverkauf im Bürgerbüro und online unter www.frankfurt-ticket.de erhältlich. Informationen über das komplette Programm der Burgfestspiele, Termine und Eintrittspreise gibt es auf der Homepage www.eppstein.de. Flyer mit sämtlichen Terminen liegen im Bürgerbüro, den beiden Rathäusern, im Museum der Burg und bei der Eppsteiner Zeitung aus. uki
Kommentare