Sängerlust und Chor-Freunde: Straße der romantischen Melodien

Der Männerchor des Gesangvereins Sängerlust verzauberte sein Publikum.Fotos: Ulrich Häfner

Trotz Aprilwetter mit Sonnenschein und Regenwolken rückten die Mitglieder des GV Sängerlust Niederjosbach unbeirrt Tische im Vereinssaal, strichen weiße Tischdecken glatt und schmückten diese mit Frühlingsblumen.

Während sich draußen die Sonne rarmachte, trudelten die ersten Gäste zum Abend mit Chormusik ein. An der Tür wurden sie herzlich vom zweiten Vereinsvorsitzenden Bernd Fuchs begrüßt. Niemand blieb lange ohne Rheingauer Wein, Apfelsaft oder Rindswurstbrötchen.

Mit einem Klang der Stimmgabel des Chorleiters Ulrich Stoll starteten die Niederjosbacher und boten den „Sängerspruch“ dar. Die schmeichelnden Tenorstimmen und die satt gesetzten Bässe bei Carl Loewes „Das Lied“ füllten den hohen Saal mit tonaler Üppigkeit.

Zunächst standen Ehrungen auf dem Programm. Als erster betrat Reinhold Lay die Bühne. Seit 67 Jahren ist er Mitglied des Gesangsvereins. Seit 40 Jahren ist er Erster Vorsitzender und hat die Entwicklung des Vereins maßgeblich mitgeprägt. In ihrer Laudatio verglich Ingrid Hartleb vom Hessischen Sängerbund Reinhold Lay „mit einem Regisseur, der die Fäden in der Hand hält und die Gemeinschaft mitreißt, aber auch den Getränkeeinkauf organisiert.“

Michael Dörr blickte bereits 2023 auf eine 50-jährige Mitgliedschaft zurück, gefolgt von Gerhard Kohl und Horst Schmidt, die 40 Jahre aktiv dabei sind. Für das aktuelle Jahr erhielten ihre Ehrenurkunden Reimund Racky für 60 Jahre Sängerlust, Erich Rosenberger und Tibor Kalmar für 40-jährige Mitgliedschaft und jeweils Sven Kilb, Roland Berggötz und Heinz Brückner für 25 Jahre im Verein. Nicht alle Genannten konnten der Ehrung beiwohnen.

Sogar die Sonne lugte während der Urkundenübergabe durch die Fenster. Somit war ein Übergang zu „Der Regenbogen“ gegeben. Die Sängerlust überzeugte mit vielfarbigem Timbre. In „Meister und Gesell“ entlockte Ulrich Stoll seinen Sängern einen dynamisch-aufgeweckten Wechselgesang, der beim „Hohoho“ das Publikum zum Schmunzeln brachte.

Im weiteren Verlauf übernahm nun das Vokalensemble „Intermezzo“ Mainz (vormals ZDF-Chor) unter der Leitung von Franz-Jürgen Dieter am Klavier die Bühne. Mit dem Lied „Erhebet das Glas“ eröffneten die Künstler stimmgewaltig ihre Darbietung und mancher im Publikum musste sich zurückhalten, nicht seinen Riesling in die Höhe zu stemmen. Einen schwelgerischen Melodienreigen kreierten die Sänger mit „Wein, Weib und Gesang“, wodurch sie zaghafte Schunkelversuche im Saal auslösten.

Franz-Jürgen Dieter ließ seine Finger über die Klaviatur wirbeln und bot ein stimmungsvolles Vorspiel zu „Ich tanze mit dir in den Himmel hinein“. Das Ensemble zauberte mit diesem zartschmelzenden Hit von Lilian Harvey und Willy Fritsch ein schwärmerisches Lächeln in die Gesichter der Zuhörenden. Die Sänger blühten sichtbar auf. Die tiefen Stimmen verströmten Charisma, die hohen verteilten taktvoll-wohlklingende Küsse. Im Anschluss daran überraschte das Publikum „Ein Freund, ein guter Freund“ mit „Wochenend und Sonnenschein“ sowie mit einem „Kleinen grünen Kaktus“.

Der Vivat-Männerchor Bremthal übernahm den Staffelstab und malte mit jugendlichem Grundklang ein atmosphärisches „Kein schöner Land“. Sorgfältig abgesetzt mit schlanker Tonlinie spann der Chor feinsinnige Stimmfäden bei den „Bergvagabunden“.

Abgelöst wurden die Bremthaler von der Sängerlust, die nun das „Hobellied“ zu Gehör brachte. Wo gesungen wird, fallen Späne. Die Sängerlust profitierte von ihrer Lust an der Sprache und bekam viel Applaus. Aus Zartheit und stimmlicher Stärke ließen die Sänger nun „Die Rose“ erblühen. Als Solist fungierte Tenor Karl-Heinz Blößer. Seine poetische Stimme bettete sich mit Anmut auf die intensiven Klangfarben des Chores, die das Publikum sichtlich berührten.

Die Chorgemeinschaft Kelkheim begeisterte mit ihrem Timbre beim „Und wieder blühet die Linde“. Selbstbewusst in der Höhe, ausgeglichen im Grundklang und sehr gut aufeinander abgestimmt, erntete der Chor viel Applaus für „Wer recht in Freuden wandern will“.

Begleitet von Philipp Schwed am Klavier präsentierte Karl-Heinz Blößer „Ich knüpfte manche zarte Bande“. Galant führte seine Stimme in die Welt der Operette. Er mobilisierte allen Tenor-Charme, der zur Verfügung stand.

Philipp Schwed faszinierte mit einer bemerkenswerten Sololeistung am Piano. Während sich draußen der Himmel zuzog, ließ Schwed das „Frühlingsrauschen“ in den Saal perlen und machte aus einem vereinseigenen Klavier voller Gebrauchsspuren einen Konzertflügel, dem Akkorde voller Sirren, Flirren und Lebenslust entsprangen.

„Als flotter Geist“ von Johann Strauß aktivierte Karl-Heinz Blößer alle Ressourcen von vokaler Schönheit und stimmlichem Glanz.

„Intermezzo“ lotete nun mit „Ihr von morgen“ von Udo Jürgens alle Facetten, Spannungsbögen und Akzentuierungen aus, verwob sämtliche Stimmen zu einem Klangteppich, der bis ins Publikum ausgerollt wurde. Blößers Stimme schien zu schweben. Als Zugabe beschenkte „Intermezzo“ das Publikum mit einem raffiniert arrangierten „O sole mio“. Dirigent Franz-Jürgen Dieter spornte sein Ensemble bei „Rock my soul“ zu Höchstleistungen an.

Nach viel Applaus ertönte der Ruf „Wer braucht noch Node‘?“. Partituren flatterten, wechselten von Hand zu Hand und auf der Bühne standen bis auf die Mainzer alle Chöre des Abends: ungefähr dreißig Sänger sowie Ulrich Stoll am Pult. Im Publikum ließen sich erste Frauenstimmen hören, die sich bei „Entschuldigung“ und dem „Rüdesheimer Wein“ dem imposanten Chor hinzugesellten.

Die Chöre bündelten ihre Klangästhetik und heraus kam ein gestandener Resonanzkörper, für den die Vereinsbühne viel zu klein schien. Zwischen all den Sängern stand auch Reinhold Lay. „Sein Leben ist der Gesang“, hatte Jürgen Ernst vom Hessischen Sängerbund in seiner Laudatio betont. Lays Blicke wechselten vom Notenblatt zum Dirigenten, in seinen Augen ein Strahlen.

Nun mischten sich die Choristen unter das Publikum. Die Stimmgabel von Ulrich Stoll sah sich mit einem Chor mit über 100 Stimmen konfrontiert. Wer gerade in seine Wurstsemmel biss, lauschte den Tönen beim „Abendfrieden“. Der „Ü100-Chor“ erklomm mit „Am kühlenden Morgen“ eine stimmliche Qualität, die den schlichten Vereinssaal zu einer Kathedrale werden ließ.

Großer Applaus und Bravo-Rufe waren der Lohn, auch für Johannes Schwed, der an diesem Abend als Moderator und Chorist hervortrat. Im anschließenden Beisammensein verknüpften sich die Stimmen aller Anwesenden zu einem Choral von Geplauder, Lachen und dem einhelligen Tenor: „Schön war’s“.uki

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