Neue Laienprediger wollen Gottesdienst am Leben halten

Stefan Rottmann und Sandra Rösner machen eine Prädikanten-Ausbildung.Foto: Beate Schuchard-Palmert

Mit einer auf den ersten Blick marginalen Veränderung leitet die Emmausgemeinde den geplanten Übergang in einen sogenannten Nachbarschaftsraum ein: Wie Pfarrer Moritz Mittag im jüngsten Pfarrbrief mitteilt, rückt die Begrüßung zwischen dem Liturgen, dem Leiter des Gottesdienstes, und der Gemeinde künftig an den Beginn des Gottesdienstes.…

…  Zum Hintergrund: Eine einheitliche Gottesdienstordnung soll die geplanten Zusammenschlüsse der bisher eigenständigen Gemeinden in einer größeren organisatorischen Einheit erleichtern.

Auch einige Mitglieder der Emmausgemeinde bereiten sich schon intensiv auf den neuen Nachbarschaftsraum vor – und auf die Zeit nach dem Abschied von Pfarrer Moritz Mittag, der zum Ende des Jahres in den Ruhestand geht. Sandra Rösner und Stefan Rottmann haben gerade zusammen mit 13 weiteren Frauen und Männern ihre Ausbildung zu Lektorin und Lektor abgeschlossen und machen nahtlos mit ihrer Prädikantenausbildung weiter. Schon als Lektoren haben sie gelernt, Gottesdienste zu leiten. Als ehrenamtliche Prädikanten können Rösner und Rottmann eigene Predigten halten, Taufen und das Abendmahl ausgeben, also einige Aufgaben übernehmen, die sonst nur hauptamtliche Pfarrerinnen und Pfarrer ausführen dürfen.

„Damit wollen wir sicherstellen, dass auch künftig in der Emmausgemeinde Gottesdienste gehalten werden“, sagt Rottmann. Schon jetzt sind in der Evangelischen Kirche etliche Pfarrstellen vakant und die Nachfolge nicht geregelt. Vermutlich werde es für Emmaus keine volle Pfarrstelle mehr geben. Umso wichtiger seien künftig Laienprediger.

Wie berichtet wollen die beiden Eppsteiner Kirchengemeinden auch künftig getrennte Wege gehen – übrigens als einzige Gemeinden im Dekanat Kronberg, die innerhalb eines Stadtgebiets liegen. Die 2001 gegründete Emmausgemeinde mit den Orten Bremthal, Niederjosbach, Ehlhalten und Wildsachsen, will künftig einen Nachbarschaftsraum mit den fünf Hofheimer Gemeinden und Kriftel bilden, die Talkirchengemeinde für Eppstein und Vockenhausen der künftigen Großgemeinde Kelkheim angehören. Eine Verbindung mit Kelkheim kommt für die Emmausgemeinde nicht in Frage. Schon heute fahren Konfirmanden der Emmausgemeinde mit der S-Bahn zum Kurs nach Hofheim – „Da sprechen einfach die Verkehrswege für sich“, sagt Mittag.

Rösner ist in Niederjosbach aufgewachsen, lebt mit ihrem Mann und den beiden Söhnen in Niederjosbach. Die berufstätige Mutter gründete 2005 mit Unterstützung der Stadt den Elternverein „Zwergenburg“ und eine Kinderkrippe. Als Leiterin des Amtes für Informations- und Kommunikationstechnik der Stadt Frankfurt ist sie inzwischen zuständig für die IT-Infrastruktur der Großstadt-Verwaltung. Seit 2019 ist die 57-Jährige Mitglied im Kirchenvorstand der Emmausgemeinde und unter anderem für deren Website und Newsletter zuständig.

Stefan Rottmann zog 2003 mit seiner Ehefrau und zwei Kindern nach Bremthal. Damals war seine Tochter gerade ein Jahr alt. Aufgewachsen ist der 54-Jährige in Bergen-Enkheim. Der Chemie- und Physiklehrer ist stellvertretender Schulleiter einer Gesamtschule in Dreieich. Seit drei Jahren gehört er dem Kirchenvorstand der Emmausgemeinde an und vertritt die Emmausgemeinde in der Dekanatssynode. Im Gottesdienst-Vorbereitungskreis wurde sein Interesse an Liturgie, Lesung und theologischen Grundlagen geweckt.

Laut Rösner war die Evangelische Kirche immer schon eine Laienkirche, das gehöre zu ihrem Selbstverständnis. Für Moritz Mittag ist der Erfahrungsschatz, den Nicht-Theologen mitbringen ein „ungeheurer Reichtum“. Ihn erinnere die aktuelle Situation der Kirche an das Urchristentum, so Mittag: „Damals gab es keine Beamtenkirche, nur Gemeinden, die sich selbst organisierten und ihre Talente nutzten.“

Wichtig sei, dass Menschen, die sich als Prädikanten bewerben nicht nur fest im Glauben und in der evangelischen Kirche verankert sein müssen, sondern auch, so Mittag, „ein gewisses Charisma und Sendungsbewusstsein“ haben, damit sie von den Menschen gehört werden. Deshalb wurden die beiden Eppsteiner vor Beginn ihrer Prädikantenausbildung im Zentrum für Verkündigung in Frankfurt einen Tag lang „begutachtet“, sagen sie schmunzelnd. „Wir mussten Aufgaben lösen, einzeln und in Gruppen, und wurden in Einzelgesprächen befragt.“

Während der einjährigen Ausbildung sind die beiden jeweils einer Gemeinde zugeordnet: Schon als Lektoren arbeiteten sie mit Pfarrern aus Nachbargemeinden zusammen. Sandra Rösner, die in der Paulusgemeinde in Kelkheim Lektorin war, hielt einen ihrer Gottesdienste in der Talkirche. Stefan Rottmann war in der Limesgemeinde in Schwalbach tätig.

Während der jetzigen Prädikantenausbildung arbeitet Rottmann in der Thomasgemeinde in Marxheim, Rösner bleibt in Bremthal. Beide sind damit sehr zufrieden: „Ich lerne schon jetzt die Menschen in unserer künftigen Partnergemeinde gut kennen – und umgekehrt“, sagt Rottmann und Rösner freut sich, dass sie ihre praktische Ausbildung bei Moritz Mittag machen darf. Die Erfahrungen, die sie in auswärtigen Gemeinden gemacht haben, schätzen beide sehr: „Jede Gemeinde hat ihre eigenen Traditionen und Eigenheiten“, haben beide beobachtet. Auch der Kirchenraum beeinflusse Stimmung und Atmosphäre der Gottesdienste: „Je nach Größe und Architektur muss man seine Stimme anpassen. Die gleiche Predigt kann in einem großen Kirchenraum ganz anders wirken als in einem kleinen Versammlungsraum“, sagt Rottmann und Rösner stimmt ihm zu: „Der Gottesdienst in der Talkirche war für mich schon wegen des historischen Gebäudes und der Akustik etwas ganz Besonderes.“

Beide sind sich jedoch einig, dass sie den Saal der Emmausgemeinde wegen seiner Leichtigkeit und Helligkeit ganz besonders schätzen. Offensichtlich geht es vielen Gemeindemitgliedern genauso, vermuten Rösner und Rottmann. Im Vergleich mit anderen Gemeinden, die sie in den vergangenen eineinhalb Jahren kennengelernt haben, sei Emmaus eine „besonders gottesdienstfreudige Gemeinde“. Der Sonntagsgottesdienst war von Anfang an das Zentrum der Gemeinde und soll es auch im künftigen Nachbarschaftsraum bleiben. In der Regel kämen mindestens 50 Gottesdienstbesucher ins Gemeindezentrum in der Freiherr-vom-Stein-Straße, zu besonderen Anlässen auch deutlich mehr.

„Die Emmausgemeinde ist eine schöne Gemeinde, zu der die Menschen gern wiederkommen“, sagen die beiden angehenden Prädikanten. „Das wollen wir uns auch in Zukunft bewahren.“

Mittag ist davon überzeugt, dass die Kirchen nur dann weiterhin gesellschaftliche Relevanz behalten, wenn sie künftig die Laien viel mehr in die Liturgie einbinden. Deshalb lege die Prädikantenausbildung einen Schwerpunkt auf die Theologie. Theologische Fragen, Bibellesung, historischer Kontext und Auslegung bilden wichtige Grundlagen.

Derzeit bereiten sich Rösner und Rottmann auf den nächsten großen Schritt vor: Beide halten in ihrer jeweiligen Ausbildungsgemeinde am kommenden Sonntag, 28. April, ihre erste eigene Predigt.bpa

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